Fast jeder von uns kennt diese Situation: Schweißgebadet aus einem fürchterlichen Alptraum aufzuwachen…. und dann aufgeschreckt zu bemerken, dass man glücklicherweise im bewussten Wachzustand ist und nicht mehr Furchterregendes weiter träumt. Was für eine Erleichterung! Was wäre, wenn man diesen Traum bewusst steuern und ein Happy-End damit “erzeugen” könnte? Es gibt, laut neueren Ergebnissen aus der Traumforschung, nun detaillierte Erkenntnisse über die Funktionsweise und das gezielte Herbeiführen eines so genannten wachen – oder auch – luziden – Traumes. Man sagt dazu auch Klar – oder Wachtraum, und es hat sogar gewisse Ähnlichkeit mit dem Tagträumen, findet dennoch (in der Nacht) beim Schlafen statt.
Das Klarträumen hat den “klaren” Vorteil, dass ein zum Beispiel immer wiederkehrender Traum nun bewusst gelenkt werden kann. Gerade Menschen mit schweren traumatischen Erlebnissen erfahren ja bestimmte Traumsequenzen immer wieder. Wie hilfreich wäre es somit, in das Geschehen positiv einzugreifen und der Traumhandlung eine Wendung zum Guten zu geben? Und das dauerhaft?
Doch wann bin ich wirklich “ganz wach” und wann träume ich?
Gibt es hier überhaupt eine klare Grenze? Oder sind wir im Schlaf genauso “bewusst” wie tagsüber im Wachsein? Diese Fragestellung ist durchaus ernst zu nehmen.
Eine gewisse Gemeinsamkeit gibt es dahingehend, dass man heute weiß, dass das Wach- und Traumbewusstsein ähnlich ist. Dies lieferten plausible Erkenntnisse aus der Hirnforschung.
So hat jeder im Tiefschlaf ca. 80 % Hirnaktivität und anders herum hat jeder im Wachzustand auch einen “Zustand im Gehirn” wie im Traummodus – und dies in einem Zeitraum über die Hälfte des Tages!
Was allerdings neu ist: Das Gehirn arbeitet im Traummodus viel effektiver!
So gesehen ist der Traum eine besonders kreative Form des Nachdenkens. Obwohl wir alle wissen, dass wir uns des Denkens bewusst sind. Doch im Schlaf geht das Gehirn keinesfalls auf “Schlummermodus”, sondern ist erstaunlich aktiv! Es kann sogar Entscheidungen fällen!
An dieser Stelle kommen wieder die Gehirnforscher zu Wort, die in zahlreichen Untersuchungen nachgewiesen haben, dass bei Tagträumen das Gehirn niedriger “schwingt” – im so genannten Deltawellenbereich. Sie nennen es auch “Default Mode Network” – das funktioniert wie eine Art Autopilot. Hier hat besonders der Hirnforscher Jonathan Schooler der University of California interessante Forschungsarbeit geleistet.
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Kommt es allerdings zu den lichten oder “luziden” Träumen, schwingt das Gehirn auf einmal im Gammawellenbereich bei ca. 40 Hertz. Die Traumforscherin und Expertin Ursula Voss, Psychologin an der Universität Frankfurt/Main, experimentierte mit schlafenden Probanden, die während ihrer REM-Traumphase leichte Stromstöße erhielten. Sofort wurden den Träumenden bewusst, dass sie träumen und sie konnten für einen kurzen Zeitraum selbst bestimmen, wie ihr Traum weitergeht.
Kurze Zwischeninfo zu den Gehirnfrequenzen:
- Im traumlosen Tiefschlaf: Zwischen 0,5 und 2,5 Hertz (=Deltawellenbereich)
- Bei tiefer meditativer Versenkung: Zwischen 3 und 8 Hertz (Theta-Wellenbereich)
- Beim Entspannen und leichten Meditieren: : Zwischen 8 und 12 Hertz (Alpha-Wellenbereich)
- Im normalen Wachzustand: Zwischen 13 und 30 Hertz (Beta-Wellenbereich)
- Beim bewussten Denken: Zwischen 31 und 70 Hertz (=Gammawellenbereich)
- Beim luziden Träumen: durchschnittlich 40 Hertz (=Gammawellenbereich)
Luzide Träume sind also der Schlüssel der modernen Bewusstseinsforschung
Der Traumforscher und Psychologe George Domhoff (USA) notierte über Jahrzehnte hinweg unzählige Träume und besitzt somit eine imposante Sammlung von Traumsystematiken. Er ist der Meinung, dass Träume durchaus einen Sinn haben, diese allerdings nicht aus dem Unterbewusstsein kommen. Sie ähneln mehr einer Kurzgeschichte resultierend aus den Geschehnissen des Tages oder besonderen oder einschneidenden Erlebnissen im Leben.
Im Traum kann der Mensch sein Leben bewältigen
Der altbekannte Sigmund Freud hat seinerzeit Furore gemacht mit der These, Träume sind Botschaften unterdrückter Wünsche – kommen also aus dem Unterbewussten. Viele halten noch an seiner Behauptung fest…
Klar ist: Jeder träumt, ob er sich erinnert oder nicht!
Die Entdeckung der REM-Phase (Rapid Eye Movement) als Indiz für den Traum war somit ein wichtiger Meilenstein der Traumforschung. Man entdeckte, dass diese in der “Brücke” im Hirnstamm stattfindet – allerdings ist das ein Ort ohne Bewusstseinstätigkeit! Auf der anderen Seite ist der Teil des Gehirns, welcher für die Selbstwahrnehmung des Körpers zuständig ist, genau in dieser REM-Phase ausgeschaltet. Ebenso setzt sich auch der Teil des Gehirns zur Ruhe, der für Planung und Reflexion zuständig ist. Doch dann reaktiviert sich stattdessen das limbische System – das Emotionszentrum im Gehirn. So betrachtet, erfindet das Gehirn im Traum neue Geschichten, zusammengesetzt aus Emotionen und Erinnerungen und kombiniert das mit einem Plan für die Zukunft! Das erklärt auch, warum uns oft beim Aufwachen eine perfekte Lösung “einfällt” – wo doch der Volksmund sagt “Das wäre mir im Traum niemals eingefallen”!
Das luzide Träumen als Problemlöser im Alltag
Zum Thema “luzides Träume” gibt es tatsächlich noch nicht so viele wissenschaftliche Veröffentlichungen oder Literatur (im Gegensatz zur Traumdeutung oder zu Traumbildern), aber dennoch einige Publikationen, die es zum einen wissenschaftlicher betrachten oder “esoterischer” – siehe unsere Buchtipps zum Thema. Diese erst vor kurzem erschienenen Bücher geben zum einen guten Überblick über wissenschaftliche Erkenntnisse als auch eine Anleitung zum luziden Träumen.
Die gute Nachricht lautet also: Das luzide Träumen kann erlernt werden. Ganz ohne Stromstöße und Forschungslabor. Was die Wissenschaftler allerdings heute aussprechen, ist die Wirksamkeit und das Ablaufen solcher Klarträume.
Mittlerweile wird das Klarträumen sogar zu einer äußerst beliebten Freizeitbeschäftigung, wie man es in der FAZ vom 18.1.2015 nachlesen kann (siehe Quellenangabe)! Immerhin hat dieses Hobby keine negativen Auswirkungen… es fehlen jedoch konkrete Zahlen und Studien, welche Erfahrungen Menschen mit Klarträumen bisher gemacht haben und welche positive Wirkung es auf ihr Leben hatte. Der therapeutische Ansatz hat allerdings einen immens großen Stellenwert: Traumatische Erlebnisse oder sogar Schizophrenie somit langfristig zu lösen oder zu heilen, ist ein sinnvolles Ziel – und das womöglich ohne Psychopharmaka!
Nun, wenn es mit dem luziden Träume (noch) nicht klappt: Immerhin bleibt dann noch der viel gelobte Tagtraum! Und das können bestimmt viele Menschen besonders gut…
“Hallo, aufwachen – wo warst du denn gerade…?”
Quelle:
Spiegel-Magazin, Ausgabe 2/2015 vom 5.1.2015
www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/klartraeume-kann-man-das-lernen-13363320.html
www.de.wikipedia.org/wiki/Elektroenzephalografie