Klagt dein Kind über Bauchweh? Hört dein Kind mitten im Spiel auf und legt sich hin? Ist ihm plötzlich schwindelig? All diese Symptome könnten für eine Migräne sprechen. Immer mehr Kinder und Jugendliche haben Probleme mit chronischen Kopfschmerzen und Migräne. Ein Trickfilm des Deutschen Kinderschmerzentrums in Datteln klärt nun auf.
Migräne bei Kindern – Verständnis entwickeln
Dass die Zahl der Kinder, die an chronischen Kopfschmerzen und Migräne leiden steigt, belegte bereits die im März 2015 von deutschen Forschern veröffentlichte Studie im Fachblatt “Current Pain and Headache Reports“.
Nun hat ein Team vom Deutschen Kinderschmerzentrum in Datteln einen Trickfilm, von knapp acht Minuten Länge, veröffentlicht. Mit professionellen Designs und Tricktechnik gelang es Bone Buddrus, dem einstigen Chefzeichner von „Fix und Foxi“ kindgerecht aufzuzeigen woher die Schmerzen kommen und wie sie behandelt werden können. Komplexe Sachverhalte werden einfach und wissenschaftlich fundiert erklärt.
Nicht nur für Kinder
Ein Verständnis über das Entstehen der Migräne zu entwickeln ist nicht nur für betroffene Kinder wichtig, auch Eltern und dem Umfeld hilft es. Stehen wir doch oft hilf- und ratlos vor unseren Kindern, wenn sich die Schmerzattacken zeigen.
Bei Migräne reagiert das Gehirn überempfindlich
Das Gehirn von Menschen mit Migräne reagiert sensibler auf innere und äußere Reize. Bei ungeeigneten äußeren Faktoren – Lärm, Stress, unverträglichen Nahrungsmitteln – lösen die überempfindlichen Nervenzellen des Gehirns eine Migräneattacke aus.
Der Schmerz entsteht auf zwei Wegen gleichzeitig. Zum einen sinkt bei einem Migräneanfall der Serotoninspiegel. Serotonin ist ein körpereigener Botenstoff, der unter anderem schmerzhemmend wirkt. Zum anderen entzünden sich bei einer Migräne die Wände derjenigen Adern, die das Blut ins Hirn transportieren. Während des Anfalls erweitern sich die Gefäße der Gehirnhaut. Mediziner nehmen an, dass dies der Grund für das pulsierende Gefühl im Kopf sein kann.
Diagnose erfolgt spät
Ärzte stellen Migräne bei Kindern erst relativ spät fest: Im Durchschnitt sind die Kleinen dann bereits acht Jahre alt. Das liegt unter anderem daran, dass die Symptome bei Kindern recht vielfältig sein können.
Manche empfinden den Schmerz nicht im Kopf, sondern eher im Bauch. Sie klagen dann nur über Bauchweh. Andere schlafen während einer Migräneattacke ein, um anschließend schmerzfrei aufzuwachen – für die Kinder ist das gut, für einen Arzt, der eine Diagnose stellen will, nicht.
Zudem scheuen sich Eltern häufig, wegen ein paar Kopfschmerzen zu einem Kinderarzt zu gehen. Ärzte wiederum scheuen sich oft, Kinder mit Migräne zu therapieren. Im Schnitt dauert es vier Jahre, bis die Kinder eine angemessene Behandlung bekommen. Möglicherweise hat das Kind dann schon Probleme in der Schule, weil es wegen seiner Migräne so oft gefehlt hat.
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Symptome
Ganz typisch ist es, wenn das Kind pochende oder hämmernde Schmerzen im Kopf fühlt. Häufig schmerzen beide Kopfseiten. Den Schmerz nehmen die Kinder als Druck wahr. Ihnen ist dabei oft übel, sie erbrechen. Genauso wie Erwachsene reagieren Kinder empfindlich und gereizt auf Lärm, Licht und Gerüche.
Migräneanfälle kündigen sich häufig an. Mediziner sprechen dann von einer Aura. Kinder, die eine Aura haben, sehen plötzlich flimmernde Muster vor ihren Augen oder Lichtblitze. Zu einer Aura kann ebenso gehören, dass die Hände oder Arme taub werden. Manche Kinder können in diesem Zustand auch nicht gut sprechen. Ganz selten kommt es vor, dass sie während einer Aura phantastische Bilder sehen. In der medizinischen Literatur ist dieses Phänomen als Alice-im-Wunderland-Syndrom bekannt.
Kinder beschreiben Migräne oft als Bauchweh im Kopf
Kinder mit Migräne können über ganz unterschiedliche Symptome berichten. Manche sind typisch für Migränekopfschmerzen, andere zeugen eher von allgemeinem Unwohlsein.
Typische Merkmale sind:
- ein pulsierender oder pochender Schmerz,
- der Schmerz sitzt in beiden Kopfhälften oder der Stirn,
- der Schmerz verstärkt sich beim Spielen oder Herumtollen,
- der Schmerz dauert mindestens eine Stunde und höchstens vier Stunden,
- den Kindern ist übel,
- wiederholtes Erbrechen,
- plötzlich auftretender Schwindel,
- die Kinder klagen über Bauchweh.
Gerade jüngere Kinder können ihre Körpersignale nicht immer richtig deuten, daher beschreiben sie möglicherweise Empfindungen, die sie bereits kennen – die für Erwachsene aber auf den ersten Blick nichts mit Kopfschmerzen zu tun haben.
Wenn das Kind
- plötzlich aufhört zu spielen und sich hinlegen möchte,
- über Herzrasen, Durst oder Appetit klagt,
- müde oder unruhig wird und plötzlich zur Toilette muss,
- besonders blass ist oder ein auffällig gerötetes Gesicht hat,
- nur eine Schwindelattacke hat, die mit Übelkeit und Erbrechen gepaart ist.
können dies Hinweise auf eine mögliche Migräne sein. Eine Migräne wird oft von einem hohen Bedürfnis nach Ruhe und von Licht- und Lärmempfindlichkeit begleitet.
Spannungskopfschmerz und Migräne – Der Unterschied
Schmerz ist nicht gleich Schmerz. Bewegung ist eine der Indikatoren, mit denen wir Spannungskopfschmerzen von Migräne unterscheiden können: Spannungskopfschmerzen lassen sich durch Bewegung mildern, Migräneattacken hingegen verschlimmern sich dadurch.
Die Ursachen der Beschwerden sind unterschiedlich: Spannungskopfschmerz wird unter anderem mit körperlicher Anspannung sowie mit einer zentralen Schmerzsensibilisierung erklärt. Migräne hingegen ist ein vielgestaltiges neurologisches Erkrankungsbild, das eine genetische Komponente hat. Die Therapie zielt auf Linderung der Schmerzen und Verringerung der Attackenfrequenz.
Behandlung von Kopfschmerzen im Kindesalter
Generell steht bei Kindern die nicht-medikamentöse Behandlung im Vordergrund. Bei leichten und gelegentlichen Kopfschmerzen genügt diese völlig. Je nach Kopfschmerz-Art reichen oft schon entweder Ruhe und Entspannung oder die Beschäftigung mit positiven Dingen aus, und das Kopfweh ist vergessen.
Doch stärkere Schmerzen lassen sich durch diese einfachen Maßnahmen oft nicht lindern. Dann sind Medikamente erforderlich. Diese sollten jedoch stets nur nach Absprache mit einem Arzt eingesetzt werden, da eine unkontrollierte Selbstmedikation dem Kind mehr schaden als nützen kann. Ebenso ist es bei stärkeren Schmerzen wichtig, durch verschiedene Maßnahmen den Kopfschmerzen vorzubeugen.
Migräne – Attackenbehandlung bei Kindern
Bei leichten Migräne-Attacken helfen häufig schon Ruhe und ein abgedunckelter Raum, wo sich das Kind hinlegt. Nach einem kurzen Schläfchen wacht das Kind dann oft fast ohne Beschwerden auf. Ein kaltes Tuch auf der Stirn und Pfefferminzöl, das an Schläfe, Scheitel und Nacken sanft eingerieben wird, können leichte bis mittelstarke Kopfschmerzen effektiv lindern.
Wenn es nicht ohne Medikamente geht, empfehlen die Experten Medikamente mit den Wirkstoffen
Ibuprofen (10 Milligramm pro Kilo Körpergewicht) bei Kindern ab 14 Jahren oder
Paracetamol (15 Milligramm pro Kilo Körpergewicht).
Untersuchungen belegen, dass Ibuprofen die Schmerzen wahrscheinlich effektiver lindert als Paracetamol. Vor dem Analgetikum sollten die Kinder ein bestimmtes Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen (Domperidon) einnehmen, das der Arzt verschreibt.
Ohne Medikamente vorbeugen
Damit Kopfschmerzen erst gar nicht auftreten, sind prophylaktische Maßnahmen besonders wichtig. Dazu gehören etwa so simple Dinge wie regelmäßige Bewegung an der frischen Luft und regelmäßige Schlaf- und Essenszeiten. Wichtig ist es auch, mögliche Auslöser für die Kopfschmerzen (bei einer Migräne etwa ein gestörter Schlaf-Wachrhythmus oder bestimmte Nahrungsmittel) zu identifizieren, wobei das Führen eines Kopfschmerz-Kalenders hilfreich ist. Auch psychische Belastungsfaktoren, etwa schulische Probleme oder Spannungen in der Familie, Ängste, Leistungs- und Termindruck können dazu gehören.
Werden die Auslöser vermieden oder behoben, ist dies oft schon ein erster Schritt, um die Häufigkeit von Kopfschmerzen zu verringern.
Alle Experten, die Kinder mit Migräne und Spannungskopfschmerzen behandeln, sind sich darüber hinaus einig, dass nicht-medikamentöse, verhaltensmedizinische Maßnahmen zur Vorbeugung von Kopfschmerzen bei Kindern wirksam sind. Alle nachfolgend beschriebenen Strategien können bei beiden Kopfschmerzarten gleichermaßen eingesetzt werden.
Zu den wirksamen Entspannungsverfahren gehören:
Die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen
Hier lernt das Kind die verschiedenen Muskeln seines Körpers kennen. Sie werden im Sitzen oder Liegen für einige Sekunden angespannt und dann wieder entspannt. Zum Beispiel ballt man die Hand zur Faust, öffnet und lockert sie wieder. Neben der direkten Muskelentspannung verringert sich so auch die Schmerzanfälligkeit des ganzen Organismus. Auch Kinder, die jünger sind als zehn Jahre, können diese Methode bereits lernen. Es gibt entsprechende CDs und Bücher, in denen das Verfahren beschrieben wird. Allerdings müssen Sie als Eltern mit dem Kind gemeinsam üben – und tun damit auch sich selbst etwas Gutes.
Fantasiereisen
Fantasiereisen bereiten Kindern sehr viel Freude. Die Kleinen lernen dabei, sich Bilder und Situationen vorzustellen, die ihnen gut tun. Ein Beispiel ist etwa, dass sie in kritischen Situationen in Gedanken einen Regenschirm aufspannen, um sich darunter zu setzen.
Zwar gehört auch das Autogene Training zu den Entspannungsverfahren, doch scheint es weniger wirksam zu sein als die anderen Methoden und ist für Kinder unter zehn Jahren nicht empfehlenswert.
Auch BIOFEEDBACK-VERFAHREN haben sich zur Vorbeugung bewährt. Diese Methoden machen Kindern auch Spaß, weil sie am modernen Medienverhalten ansetzen. Denn dabei wird beispielsweise die Anspannung der Stirn- und Schläfenmuskulatur per Elektrode registriert und dem Kind via Computer optisch oder akustisch zurückgemeldet.
Dann lernen die Kinder, diese Signale zu beeinflussen. Die Biofeedback-Therapie sollte – wie die anderen Entspannungstechniken – konsequent geübt und auf Dauer angewendet werden.
Klinische Studien belegen, dass Entspannungsverfahren und Biofeedback-Verfahren vergleichbar wirksam sind. Die Entspannungsverfahren haben allerdings den Vorteil, dass die Kinder von Geräten unabhängig sind und die Strategien im Alltag jederzeit einsetzen können, also etwa vor und während Klassenarbeiten oder immer dann, wenn sie sich gestresst fühlen.
Wenn Kinder besonders stark unter Kopfschmerzen, insbesondere unter Migräne leiden, empfehlen Experten:
Multikomplex-Programme
In diesen werden mehrere Verfahren gebündelt. Neben Entspannungs- und Biofeedback-Verfahren kommen zusätzlich noch Methoden für die Bewältigung von Stress und Schmerz hinzu sowie ein spezielles Training für die Reizverarbeitung. Auch die Eltern werden bei diesen Programmen integriert: Sie erhalten – ebenso wie ihre Kinder –Informationen über Kopfschmerzen und den richtigen Umgang mit ihnen. Auch das Führen eines Kopfschmerz-Kalenders gehört dazu. Durch dieses Maßnahmen-Bündel mit verschiedenen psychologisch-verhaltensmedizinischen Strategien lernen die Kinder sich gegen die inneren und äußeren Belastungsfaktoren gleichsam zu „immunisieren“. Sie lernen etwa, ihre persönlichen Stressfaktoren zu erkennen und besser damit umzugehen. Dazu gehört auch, Dinge zu denken und zu tun, die Freude und Kraft schenken. Zur Stressvermeidung gehört auch die bewusste Gestaltung des Alltags. Gelernt werden diese Strategien in Gruppensitzungen wie die anderen Entspannungstechniken – konsequent geübt und auf Dauer angewendet werden.
…und die Ernährung?
Es gibt Hinweise aus klinischen Studien, dass eine so genannte oligoantigene Ernährung (Auslass-Diät) insbesondere bei Kindern mit häufigen Migräneattacken (wenigstens einmal pro Woche) und weiteren Begleitsymptomen wirksam ist. Pauschale, unkontrollierte „Diäten“ sind allerdings nicht sinnvoll und können sogar Mangelerscheinungen hervorrufen. Vielmehr muss in jedem Fall sorgfältig und individuell ausgetestet werden, welche Nahrungsmittel und Zusatzstoffe die Migräne verstärken und ob der Verzicht auf diese tatsächlich eine Linderung bewirkt. Zu den Lebensmitteln, die sich im Rahmen von Studien als potentielle Migräne-Auslöser erwiesen haben, gehören Kuhmilch, Lebensmittelfarbstoffe, Konservierungsstoffe, Schokolade, Weizenmehl, Eier, Käse, Tomaten, Fisch, Schweinefleisch und Soja.
Das Migräne – Tagebuch
Ist ein Kind in dem Alter, in dem es bereits schreiben kann, ist ein Migräne-Tagebuch empfehlenswert. Jedes zehnte wird allein durch das Führen des Tagebuches schmerzfrei. Es hilft dem Arzt bei der Diagnose – und möglicherweise auch dem Kind: Denn es lernt, sich selbst zu beobachten und Situationen, die Migräne auslösen könnten, zu vermeiden. Ein Migräne-Tagebuch sollte ein Kind etwa vier bis sechs Wochen führen. Hinein gehören folgende Notizen:
- Wie stark war die Migräne?
- Wie lange hat der Anfall gedauert?
- In welcher Situation war ich, als die Migräne anfing?
- Waren da noch andere körperliche Beschwerden?
- Wann habe ich welche Medikamente eingenommen?
Häufig lässt sich ein klares Muster erkennen. Kommt die Migräne immer dann, wenn das Kind etwas Bestimmtes gegessen oder getrunken hat? Oder wenn es sich in stressigen Situationen befindet?
Einige bekannte Auslöser für Migräne bei Kindern sind:
- Stress
- Schlafentzug oder zu langes Schlafen
- Heißes Wetter
- Videospiele
- Licht, Lärm, Gerüche
- Veränderungen des Tagesrhythmus
- Infektionen
- Kopftraumata
- Sport
- Fasten
- Cola, Softdrinks oder Zitrusfrüchte
- Käse, Kuhmilch, Lebensmittelfarbstoffe, Konservierungsstoffe, Schokolade,
- Weizenmehl, Eier, Käse, Tomaten, Fisch, Schweinefleisch und Soja.
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Quelle
http://link.springer.com/article/10.1007/s11916-015-0477-0
http://www.dmkg.de/dmkg/sites/default/files/kinder.pdf
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/migraene-bei-kindern-trick-film-erklaert-entstehung-von-kopfschmerzen-a-1083571.html
http://www.stern.de/gesundheit/kopfschmerz/ueberblick/migraene-bei-kindern-wie-bauchweh-im-kopf-3273684.html
http://www.stern.de/gesundheit/kopfschmerz/alternative-heilmethoden-gegen-kopfschmerzen-hilfe-jenseits-der-schulmedizin-3273056.html
http://www.deutsches-kinderschmerzzentrum.de/fileadmin/media/PDF-Dateien/Booklet_Migr%C3%A4ne_20160323_Final.pdf