Viele von uns haben vielleicht schon einmal vom „Second Life“ gehört. Eine Plattform bzw. virtuelle Online-Community, in welcher Nutzer sich in eine imaginäre Welt flüchten können, um ein „Leben“ zu führen, welches im wahren Leben aus welchen Gründen auch immer nicht möglich ist. Mark Zuckerberg ist nun auf den Zug des virtuellen Lebens mit aufgesprungen und hat mit seinem „Metaverse“ eine Plattform geschaffen, in welcher wir aus der Realität in die Matrix flüchten können. Aber wollen wir das überhaupt? Experten warnen…
Facebook wird Meta
Bereits im Sommer 2021 kündigte der Unternehmer Mark Zuckerberg an, den Namen Facebook künftig in Meta zu ändern, was mittlerweile auch umgesetzt wurde. Anknüpfen soll der neue Name an den Begriff „Metaverse“. Zuckerbergs persönliche Vision des zukünftigen Internets. Ein Internet, in welchem Nutzer mithilfe von digitalen Brillen oder Kontaktlinsen in eine virtuelle Welt, eine Matrix eintauchen können. Das klingt erst einmal spannend und vor allem spaßig. Doch befürchten Kritiker zu Recht, dass wir durch diese Art der Flucht den Bezug zur Realität verlieren könnten. Und vor allem stellen wir uns die Frage, ob und/oder warum unsere echte physische Welt so schlimm sein soll, dass wir ihr entfliehen müssen? Warum nicht an unserer echten Welt arbeiten, anstatt eine zu schaffen, die im Grunde nicht einmal greifbar ist.
Naja gut, seien wir mal ehrlich, ein Kartenspiel im Weltall mit einer Gruppe von Aliens? Klingt doch super! Aber Hallo… wie alt sind wir denn? Können wir uns nicht einfach mit ein paar Freunden treffen, im Garten unter einem Kastanienbaum vielleicht den Grill anschmeißen? Können wir nicht auch so gemeinsam Spaß haben und Karten spielen, anstatt mit einer Brille im Wohnzimmer zu sitzen und so zu tun, als würden wir uns an einem schöneren Ort befinden?
Nur noch ein Schatten unserer selbst
Versteht mich nicht falsch… Natürlich muss man mit der Zeit gehen und ja, ich gebe zu, das alles kann Spaß machen. Wir müssen uns aber auch Gedanken darüber machen, wo das Ganze hinführen könnte. Wir waren doch bereits auf einem guten Weg. Der Auffassung war zumindest Keanu Reeves vor einigen Jahren. Er sagte, dass wir uns zwar inmitten eines Krieges befinden, der unsere und auch die Zukunft unserer Kinder prägen wird. Dennoch zeige die Menschheit “Zeichen für die Befreiung aus der Matrix“. Er sagte, dass
„…wir von Schatteneliten und Geheimgesellschaften (gelenkt werden), die alles getan haben, um uns zu unterdrücken und uns in einem mentalen Gefängnis zu halten, sodass wir unsere Potenziale nicht erreichen können.“
Keanu Reeves
Es gibt allerdings bereits seit 2003 die ersten Ideen und Umsetzungen für eine solche Matrix. „Second Life“ – hier konnten Nutzer ein echtes Vermögen generieren, Immobilien, Klamotten und sogar Autos verkaufen. Ja, sogar Mercedes hatte eine Niederlassung im Second Life. Nach etwa 5 Jahren flachte der Hype aber etwa genauso schnell ab, wie er aufkam. Und auch die Verwendung der sogenannten VR– (virtuelle Realität) und AR– (augmented reality oder erweiterte Realität) Brillen ist seit Jahren im Gespräch. Denn einige Nutzer finden primär im Bereich des Gamings eine Menge Spaß mit den futuristischen Gadgets. Dennoch, wirklich durchgesetzt hat sich das Konzept bisher noch nicht.
Das Matrix Metaverse als Ablenkungsmanöver?
In einem vorherigen Artikel hatte ich bereits über die Missstände bei Facebook bezüglich der „Facebook-Papers“ berichtet. Diese wurden vorrangig durch die ehemalige Mitarbeiterin und jetzige Whistleblowerin Frances Haugen bekannt. Hier wurde klar, Facebooks Oberhaupt Mark Zuckerberg ist alles andere als interessiert daran, unserer Gesellschaft etwas Gutes zu tun. Menschenhandel, Auftragskiller, Drogendeals, Hassreden? Alles kein Problem: log Dich einfach bei Facebook ein und das Business läuft von ganz allein. Man möchte meinen, dass ein Konzern, welcher immer wieder mit dem Slogan Menschen zu verbinden wirbt, gegen solch kriminelle Machenschaften vorgeht. Aber weit gefehlt. In einigen Fällen spielt Facebook den Machthabern sogar noch in die Taschen. Inhalte werden zum Beispiel gezielt nicht entfernt, um bestimmte Gruppen zu erreichen. Und das alles nur, wer hätte es gedacht, dem Geld wegen.
Die Rohingya etwa, eine in Myanmar verfolgte Bevölkerungsgruppe, stellt sich nun gegen den Konzern. Sie verklagten Facebook aufgrund unterlassener Hilfeleistung, da Facebook zu wenig gegen die Hetze auf der Plattform unternommen hatte. So viel dazu… Mark Zuckerberg scheint aber nach wie vor relativ unbeeindruckt von den Vorwürfen. Denn der tut offenbar besser daran, den Namen seines Unternehmers zu ändern und den Versuch zu starten, uns in eine digitale Parallelwelt zu entführen. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was in einem solchen Metaverse möglich ist, wenn Kriminelle auf den jetzigen Social-Media-Plattformen bereits „freie Hand“ haben…
Das Ziel Zuckerbergs ist es wohl zunächst einmal das Image des Konzerns wieder etwas aufzufrischen. Und das tut er, indem er dafür sorgt, dass Facebook nur noch einen kleinen Teil des großen Ganzen ausmacht. Ähnlich wie beim Konkurrenten Google, welcher seinen Holdingkonzern 2015 in Alphabet umbenannte.
Mittendrin statt nur dabei
Ob das ganz Hickhack rund um Facebook und Meta nun ein bewusstes Ablenkungsmanöver war oder gerade einfach nur gut passt, lassen wir jetzt mal so dahingestellt. Fakt ist, dass hinter der Umbenennung etwas mehr steckt als nur der Versuch, den Mutterkonzern vom angeschlagenen Image des größten sozialen Netzwerks zu befreien. Zuckerberg will eine eigene virtuelle Welt ganz nach seinem Geschmack schaffen. Er bezeichnet das Ganze als nächsten logischen Schritt des Internets.
„Man kann sich das Metaverse als ein verkörpertes Internet vorstellen, bei dem man die Inhalte nicht nur betrachtet, sondern sich in ihnen befindet.“
So Zuckerberg. VR-Brillen sind dabei nur ein nettes, kleines Gadget. Zuckerberg will noch weitergehen und direkte Schnittstellen zwischen Gehirn und Computer generieren. So soll das Gefühl vermittelt werden, sich in einer realen Welt zu befinden. Es gibt virtuelle Büros, in welchen sich Mitarbeiter aus aller Welt gemeinsam an einen Tisch setzen, um so ihre Meetings abzuhalten. Fast so, als würde man sich an einen echten Tisch setzen und miteinander kommunizieren…oder zoomen…*räusper
Gefangen in der Matrix – Experten warnen vor der virtuellen Realität
Bei vielen, vor allem den Nerds unter uns, löst der Gedanke an eine solche Matrix Euphorie aus. Und seien wir mal ehrlich, die Vorstellung eines virtuellen Tagungsraumes, gestaltet nach den eigenen Vorstellungen, um seine Teammitglieder zu „treffen“, ohne das Haus zu verlassen, klingt schon irgendwie cool.
Dennoch, nicht alle teilen die Metaverse-Euphorie. Vor allem Experten sind besorgt. Selbst Ethan Zuckerman, der bereits in den 90er-Jahren ein Metaverse entworfen hatte, gibt sich kritisch gegenüber Zuckerbergs Ambitionen. Im Vordergrund stehen hier primär die Sorgen, dass Facebook alias Meta sich jetzt schon schwertut, mit gewissen Missständen aufzuräumen und die Plattform für alle Beteiligten sicherzumachen. So könnten sich die Schwachpunkte der Social-Media-Plattformen auf das Metaverse übertragen und noch größere Ausmaße annehmen. Auch der Fakt, dass sich bereits jetzt die Newsfeeds aller Social-Media-Nutzer nach deren Vorlieben unterscheiden, könnte sich zukünftig durch zusätzliche digitale Elemente auch in die reale Welt übertragen und von Metaverse-Verantwortlichen, Werbetreibenden und anderen Parteien maßgeblich gesteuert und kontrolliert und manipuliert werden.
Auch Louis Rosenberg Gründer von Unanimous AI, einem Unternehmen, das sich damit beschäftigt, die Schwarmintelligenz menschlicher Gruppen Algorithmus-basiert zu verstärken, warnt vor Zuckerbergs Metaverse. Zwar ist die Anwendung von Algorithmen, den digitalen Horizont von Menschen auf kleine, unbewusst zusammengestellte Filterblasen zu reduzieren, kein neues Konzept. Ein Metaverse nach Mark Zuckerberg, welches sich nicht ausschließlich auf den digitalen Raum beschränkt, ginge laut den Kritiken allerdings einen entscheidenden Schritt weiter als die Plattformen, wie wir sie bisher kennen. Es besteht die Gefahr, die Differenzierung zwischen Informationen aus dem digitalen Raum und der eigenen Lebensrealität nicht mehr objektiv unterscheiden zu können. Die Grenzen zwischen beiden Welten könnten immer weiter verschwimmen.
„Anstatt uns nur in unseren eigenen Informationsblasen zu befinden, werden wir in unsere eigenen maßgeschneiderten Realitäten aufgeteilt.“
So Rosenberg. Er befürchtet eine weiter zunehmende politische Polarisierung.
Sind wir überhaupt noch fähig, die Realität zu leben?
Dazu kommt aber meiner Meinung nach noch der psychologische Effekt. Sehen wir doch mit den aktuellen sozialen Medien bereits, was die Matrix und das Flüchten in digitale Welten mit unserem Dasein in der Realität anstellt. Vor allem Generation Z, die nicht gelernt hat, in einer Welt fernab von TikTok, Instagram und Co. zu leben. Sie leben in einer Welt voller perfekter Menschen, mit perfekten Körpern und einem noch perfekteren Leben voller Glamour und Dolce Vita. Jetzt stellen wir uns nur einmal vor, wir haben über ein Metaverse die Möglichkeit, ein solches Leben zu führen. Unsere Realität ist aber (grob gesagt) der Plattenbau im Berliner Brennpunkt Wedding oder Neukölln.
Wo werden wir uns wohl lieber aufhalten wollen, und sind wir in einem solchen Fall überhaupt noch fähig, die Realität zu leben? Und was wird das mit uns machen? Mit unserem Selbstwertgefühl, unserer Psyche und dem Gefühl, genug zu sein, wenn es uns doch jetzt teilweise schon schwerfällt, dem Konkurrenzdruck der sozialen Medien standzuhalten.
“There are only two industries that call their customers “users”: illegal drugs and software.”
Edward Tufte
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