Mehr Zeit für Familie, Freunde und das eigene Leben. Das ist es, was Finnlands neues Staatsoberhaupt Sanna Marin (34) antreibt. Die Regierungschefin fordert daher einen 6 Stunden Tag und eine 4 Tage Arbeitswoche. Arbeitnehmer sollen dadurch nicht nur weniger arbeiten und mehr Zeit für sich haben, sondern auch leistungsstärker und fokussierter an die Sache herangehen.
Sanna Marin – jung, weiblich und international gefeiert
Sanna Marin führt eine Mitte-Links Koalition an, in welcher alle 5 Regierungsparteien durch Frauen angeführt werden. Und genau durch diese Frauen Regierung wird die junge Ministerpräsidentin international gefeiert und verehrt. Für Marin selbst spielt die Tatsache, eine junge Frau zu sein allerdings eine eher geringe Rolle:
„Ich habe nie über mein Alter oder mein Geschlecht nachgedacht; ich denke an die Gründe, die mich in die Politik gebracht haben.“
So Sanna Marin. Beim Volk gilt die Regierungschefin als zielstrebige und selbstsichere Politikerin, die weiß, was sie will. Und trotz des jungen Alters verfügt Marin bereits jetzt über ausgesprochen ausgeprägte politische Erfahrung. Die Laufbahn der jungen Frau begann bereits vor über 10 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt setzte sich Marin in ihrem Studienort Tampere für die Sozialdemokratie ein, bis sie 2015 in das finnische Parlament gewählt wurde.
Ihre erste Aufgabe war es unter Regierungschef Antti Rinne für knapp sechs Monate als Verkehrs- und Kommunikationsministerin zu arbeiten, ehe dieser Ende 2019 den Rücktritt seiner Regierung ankündigte.
Weniger Arbeit für denselben Lohn
Seit Dezember 2019 ist die junge Regierungschefin Sanna Marin Finnlands Ministerpräsidentin. Und gleich zu Anfang hat sie etwas angefochten, was wohl den meisten Finnen zusagen dürfte. Weniger Arbeitszeit für denselben Lohn. Sanna Marin plädiert auf eine Vier-Tage-Woche und Sechs-Stunden-Arbeitstage. Für den Anfang soll es einen Testlauf geben, welcher zeigen soll, ob diese drastische Verkürzung der Arbeitszeit in Finnland, ähnlich wie in Schweden, Früchte tragen könnte. Im Nachbarland Schweden funktioniert die Idee eines sechs-Stunden-Arbeitstages, bereits in vielen Bereichen. Die zweitgrößte Stadt Schwedens, Göteborg, hat es vorgemacht. Im Altenheim und im städtischen Krankenhaus, wurde die Arbeitszeit bereits im Jahr 2015 auf sechs Stunden am Tag reduziert.
Das Resultat: glücklichere, gesündere und produktivere Mitarbeiter. Dadurch, dass die Arbeitnehmer ausgeruht und fit sind, konnten die Leistungen ausgebaut werden, wodurch die Patienten ebenfalls zufriedener waren. Natürlich könnte manch einer jetzt sagen, dass durch eine Reduzierung der Arbeitszeiten mehr Kosten anfallen. Aber dem ist nicht so: Es wurden zwar mehr Mitarbeiter eingestellt, dadurch gab es allerdings auch mehr Steuereinnahmen. Darüber hinaus gibt es weniger Krankenstände, Invaliditätspensionen und weniger Arbeitslose, was Ersparnisse einbringt.
Aus diesen Gründen ist Finnlands Regierungschefin Sanna Marin zuversichtlich:
“Eine 4-Tage-Woche und ein 6-Stunden-Arbeitstag. Warum sollte das nicht unser nächster Schritt sein? Sind acht Stunden wirklich die letzte Wahrheit? Ich glaube, die Menschen verdienen es, mehr Zeit mit ihrer Familie, mit ihren Lieben, mit ihren Hobbys und anderen Aspekten ihres Lebens zu verbringen – wie Kultur. Das könnte der nächste Schritt in unserem Arbeitsleben sein”
Können auch die Deutschen auf reduzierte Arbeitszeiten hoffen?
Die deutsche Fraktionschefin der Grünen in Deutschland, Katrin Göring-Eckardt, ist der Meinung, dass über neue Arbeitsmodelle definitiv gesprochen werden muss.
„Es ist höchste Zeit, dass endlich wieder mehr Schwung in die Debatte zur Vereinbarkeit von Arbeit und Leben kommt“
„Wir müssen diskutieren, wie sich Arbeit besser an die Bedürfnisse der Menschen anpassen lässt statt nur umgekehrt.“
sagte sie, gegenüber der Morgenpost. Das Modell aus Finnland ist auf jeden Fall interessant, laut Göring-Eckardt jedoch nicht auf alle Branchen und Situationen in Deutschland übertragbar.
In Deutschland ist es bereits jetzt möglich, flexibel Vollzeit zu arbeiten. Das heißt, der Arbeitnehmer sucht sich seinen Arbeitszeitenumfang aus einem Zeitfenster zwischen 30 und 40 Stunden selbst aus, solange keine betrieblichen Gründe dagegen sprechen. Darüber hinaus plädiert die Grünen-Politikerin für ein Recht auf Homeoffice. Und mit dieser Idee ist sie nicht allein, denn auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) spricht sich für das Homeoffice aus. So kündigte er 2019 an, die mobile Arbeit von zu Hause oder unterwegs gesetzlich verankern zu lassen. Aus dem angekündigten Gesetzentwurf, welchen er im Herbst 2019 vorlegen wollte, wurde allerdings nichts…
Auf die Frage, wann mit einem derartigen Gesetzentwurf gerechnet werden darf, teilte das Bundesministerium lediglich mit, dass noch kein konkreter Zeitpunkt genannt werden kann, das Projekt jedoch in Arbeit ist.
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