Eine Übersetzung aus der englischen Zusammenfassung von Alexa Firmenich.
Nachdem die Klimabewegung aktuell immer mehr an Aufmerksamkeit gewinnt, wirst Du bestimmt auch schon vom neuen vielversprechenden Rechtskonzept „Rechte der Natur“ gehört haben. Im Wesentlichen geht es bei diesen Rechten darum, dass Menschen gesetzliche Rechte auf andere Formen des biologischen Lebens auf der Erde ausdehnen. Diese Menschen sind aufmerksam und geben allem Leben auf Erden eine Stimme. Sie setzen dem Schweigen der Opfer ökologischer Zerstörung ein Ende und bilden eine neue Generation von Erdhütern, die für die Natur in menschlicher Sprache sprechen.
Die Rechte der Natur und der Erde – Rechtswissenschaft
Um das überschäumende Potenzial der aufkeimenden Bewegung „Rights of Nature“ (RoN) zu verstehen, habe ich mich auf eine Reise begeben, um Antworten auf folgende Fragen zu bekommen:
- Warum der Natur „Rechte“ geben? Und wie verhalten sich diese zu unseren Menschenrechten?
- Wie würden die Gesetze einer ökologischen Zivilisation das menschliche Gesetz mit allem Leben in Einklang bringen?
- Wie könnten die Rechte der Natur auf globaler Ebene angenommen werden?
- Was ist noch möglich – was sind die verrückten kreativen Ideen, die wir anwenden können, um die Rechte der Natur zu verbreiten?
Ich habe versucht, sowohl meine Ergebnisse als auch die verschiedenen Wege, auf die mich meine Fragen führten, zusammenzufassen. Dadurch hoffe ich beim Leser ähnliche Aufregung und Möglichkeiten zu wecken, aber auch Verbündete und Gefährten zu finden, die ähnliche Fragen stellen. Ich werde uns durch verschiedene Denkräume führen und erklären, wie Dinge wie Lernreisen, Animismus, Wild Law, Philosophie und globale Vormundschaften Teil eines ganzheitlichen Verständnisses der breiteren RoN-Bewegung sind.
Menschliches Recht
Das anthropozentrische Recht hat sich entwickelt, um die wachsende Zahl unbelebter Rechtehalter zu schützen. Vertraute Unternehmen, Joint Ventures, Kommunen, Universitäten, Eisenbahnen, Kirchen, öffentliche Ländereien – all diese Gruppen werden von ihren Vormündern und Treuhändern regelmäßig vor Gericht vertreten, um gewisse Interessen zu vertreten. Nicht-menschliches Leben wird allerdings selten in diese Kategorie unbelebter Rechteinhaber aufgenommen; die Ökosysteme, Flora und Fauna unserer Erde sind im Bereich des menschlichen Rechts überraschend still. Im Allgemeinen ist das meiste nicht menschliche Leben lediglich legales „Eigentum“, das verwendet, verkauft und verarbeitet werden muss.
Wir sollten jedoch keine unserer Gesetze als endgültig und unveränderlich sehen; wir sollten uns daran erinnern, dass das Recht immer zur Debatte steht und umgedacht werden kann. Jede sukzessive Erweiterung von Rechten, die einem neuen Unternehmen übertragen wurden, war zu seiner Zeit nahezu undenkbar; zunächst klingt so eine vorgeschlagene Rechteerweiterung verständlicherweise seltsam, lächerlich oder gar unglaubwürdig.
Während die Natur einst als passiver Hintergrund menschlicher Angelegenheiten und Ausbeutung galt, wird sie heute aber zunehmend als Lebewesen geachtet, dass der moralischen Beachtung unterliegen sollte. Deshalb ist es an der Zeit, unsere Gesetze an das aufkommende Verständnis unserer Verbindungen und unserer Verantwortung gegenüber der Welt jenseits der menschlichen Welt anzupassen.
Ja, das Gesetz ist unvollständig. Es ist teilweise schwierig durchzusetzen, leicht manipulierbar, interpretierbar und fall abhängig. Das Gesetz aber definiert das Bestreben einer Kultur. Das Gesetz ist eine Kraft, die unsere innere und äußere Welt prägt und das Selbstbild der Gesellschaft widerspiegelt. Im Idealfall formalisiert das Gesetz kulturelle Normen, die uns an unsere moralischen Ideale binden.
Also: Was streben wir heute an?

Das Gesetz einer aufrichtig ökologischen Zivilisation
Wir blicken nun auf die Rechtslehre der Erde, welche einen Zweig der Rechtsphilosophie darstellt. Der Begriff wurde erstmals 2001 vom Kulturhistoriker und Priester Thomas Berry geprägt und bezieht sich auf die Erde als primäre Rechtsquelle.
Unsere Erde lebt auf einzigartige Weise durch ein komplexes System lebendiger Prozesse, die als selbstregulierender Organismus wirken. Diese Organismen operieren unter Mustern wie Selbstorganisation, Autopoiese, Reziprozität und Regeneration. All diese Muster sind untrennbar größeren biologischen und physikalischen Energie- und Materieströmen unterworfen und in diese verwoben. Es gibt vieles in dieser Welt, von dem ich mir wünschte, dass die Menschen es erkennen und umsetzen.
Denn die menschliche Gesellschaft und ihre materiellen Grundlagen gehen aus dieser Biosphäre hervor und sollten daher auch mit ihr co-regenerativ in Verbindung treten. Wenn wir Menschen uns nicht um die Integrität des Substrats unseres eigenen Überlebens kümmern, beteiligen wir uns maßgeblich an einem Prozess, der dem Selbstmord gleichkommt.
Das Rechtssystem und die Gestaltung einer ökologischen Zivilisation würden erdzentriert versus anthropozentrisch schaffen. Das System würde dazu beitragen, menschliche Verhaltensweisen zu stimulieren, die biophysikalisch mit der Natur vereinbar sind und diese unterstützen. Es würde auf einem fundierten ökologischen Verständnis der Funktionsweise lebender Systeme beruhen. Verschlungen und verwoben jedes einzelne Element im Netz des Lebens ist Teil des Ganzen und damit überlebenswichtig für die Gesamtheit.
Was wäre, wenn menschliche Gesetze und Ethik davon ausgehen, dass Mensch und Natur eins sind?
Instrumentelle Rechte vs. inhärente Rechte
Um die Vorschläge der Rights of Nature (RoN) vollständig nachvollziehen zu können, ist es wichtig, den Hauptunterschied zwischen instrumentellen und inhärenten Rechten zu verstehen.
Wir gewähren einem Baby keine Rechte, weil es für uns als freudiges Spielobjekt oder als zusätzliches Händepaar nützlich ist. Wir gewähren einem Baby seine Rechte, weil es ein Mensch ist – Rechte entstehen dort, wo Existenz entsteht.
Wenn das Selbst von Natur aus wertvoll ist und es eine klare Kontinuität zwischen dem Selbst und der Natur gibt, dann sind die Aspekte der Natur wohl von inhärentem Wert.
In unserem gegenwärtigen Rechtssystem können wir vor Gericht ziehen und den Nutzen oder ästhetischen Nutzen der Natur für menschliche Bemühungen geltend machen (wie z. B. einen verschmutzten See, der die menschliche Gesundheit schädigt), aber natürliche Wesen können ihre eigenen Rechte nicht geltend machen (das Recht des Sees, nicht verschmutzt zu werden). Die internationale Walfangkonvention von 1946, in der sich die Nationen auf die Tötungsrate und die Bedingungen zur „angemessenen Erhaltung der Walbestände“ einigten, unterscheidet sich von jemandem, dem es erlaubt ist, als gesetzlicher Vormund für die Wale über das Thema, wie sie den Walfang sehen, zu sprechen.
Die Rechte der Natur sind daher ein Mechanismus, durch welchen Lebewesen ihre angeborenen Rechte vor Gericht gewährt bekommen. Unabhängig vom instrumentellen Nutzen für menschliche Bedürfnisse.

Wilde Gesetze und die Rechte der Natur
Die heutzutage verbreitetste Art, die inhärenten Rechte der Natur anzuwenden, lässt sich in der globalen Bewegung dieser erkennen.
Länder wie Bolivien, Kanada, Uganda, Kolumbien und Bangladesch haben bereits damit begonnen, die Rechte der Natur in ihre Verfassungen aufzunehmen. Für Neugierige gibt es hier eine vollständige Liste (siehe Quellenangabe weiter unten). Diese Rechte betrachten die Natur und andere Lebensformen als juristische Personen und gewähren ähnliche Rechte wie die des Menschen. In Neuseeland wurden 2017 beispielsweise Te Awa Tupua, der Whanganui-Fluss und der Wald von Te Urewera durch zwei Gesetze als juristische Personen anerkannt. Sie erhielten alle Rechte, Befugnisse, Pflichten und Verbindlichkeiten, um Eigentum zu besitzen, Schulden zu machen, vor Gericht zu klagen und Entschädigungen für Schäden zu erhalten. Dies war der Höhepunkt von zwei Jahrhunderten des Kampfes der Whanganui und acht Jahren intensiver Verhandlungen.
Die Durchsetzung dieser Gesetze ist zwar immer noch mangelhaft und uneinheitlich, ich lade Sie aber ein, sich diese Gesetze als etwas vorzustellen, dass unser gemeinsames menschliches Streben und eine neue Richtung der Ethik definiert. Die Schaffung neuer Normen, sozialer Gedankeneinheiten und Präzedenzfälle vor Gericht wird zum Wendepunkt gesellschaftlicher Transformation führen.
Im Jahr 2019 wurde das erste Gesetz verabschiedet, welches die gesetzlichen Rechte einer Pflanzenart anerkennt. Die Gemeinde Ojibwe Manoomin (Wildreis), wurde im Zuge dessen offiziell als rechtmäßiger Rechteinhaber anerkannt. Die Rechte von Manoomin umfassen „das Recht auf sauberes Wasser und Süßwasserlebensräume, das Recht auf eine Umwelt frei von industrieller Verschmutzung und das Recht auf Patentfreiheit“.
Und in Ecuador, ein Jahrzehnt nach ihrer Verankerung, treten die RoN immer wieder in den nationalen Diskurs ein. Sechs der dreizehn RoN-Anträge wurden vom Staat initiiert und alle waren erfolgreich. Keine Wunder geschehen über Nacht und die ecuadorianische Regierung drängt immer noch auf die Interessen der extraktivistischen Multis. Dennoch, kein Politiker kann über Entwicklung (und insbesondere Bergbau und Öl) diskutieren, ohne auch über die RoN zu sprechen. In einigen Fällen verhängte das Umweltministerium einseitig Sanktionen und Bußgelder für Handlungen, die gegen die RoN verstießen. So etwa der Entzug von Umweltlizenzen für wirtschaftliche Entwicklungsprojekte wie die Secoya-Palmenplantage und der Straßenbau in Macas
Trotz anfänglicher Herausforderungen wie dem Mangel an Wissen der ecuadorianischen Richter, dass solche Rechte überhaupt im Gesetz existierten können, beginnen dieselben Richter nun, die Rechte der Natur sogar auf solchen Fällen anzuwenden, in denen es ursprünglich nicht einmal um die RoN ging – ein weiterer Beweis dafür, dass im Justizsystem neue Normen entstehen können.

Der Traum: Ein System globaler Vormundschaften
Abschließend möchte ich noch ein paar ausgefallene Ideen vorschlagen.
Was wäre, wenn es ein System globaler Schutzrechte für die Natur gäbe? Wir könnten eine Gruppe von fachkundigen und institutionell frei stehenden Rechtshütern aufbauen, die sich für kritische globale Gemeingüter wie Regenwald-Mikroregionen und Meereskorallen einsetzen. Wir könnten sie ermächtigen, als Sonderanwälte für ihr „Opfer“ zu fungieren und das Recht zu vertreten, juristische und diplomatische Maßnahmen im Namen des Ökosystems einzuleiten.
Stellen Sie sich die Energie von Tausenden von Jugendlichen auf der ganzen Welt vor, die sich erheben und selbst ernannte „Global Guardians“ für mehr als nur das Menschenleben werden. Selbst wenn Fälle geben wird, die sie vor Gericht verlieren. Ich bin mir sicher, dass die umfassende Berichterstattung einen so starken öffentlichen Impuls hervorrufen würde, dass sowohl Regierungen als auch der Privatsektor zunehmend zur Rechenschaft gezogen würden und sich dementsprechend anpassen müssten.
Eine allgemeine Erklärung für die Rechte der Natur
Ich glaube, dass eine allgemeine Erklärung für die Rechte der Natur eine inspirierende nächste Iteration unserer Evolution der Erdethik sein könnte. Diese Erklärung würde die Grundrechte der Natur rechtlich anerkennen, durchsetzen und umsetzen. Sie würde von der UN-Generalversammlung genehmigt und vor den Gerichten für internationale Naturrechte angewendet.
Bedingungen für die Rechte der Natur schaffen
Was mich an der Neuformulierung und Ausweitung menschlicher Gesetze auf andere Lebensformen am meisten begeistert, ist die Tatsache, dass sie uns auffordert, anzuerkennen, dass andere Lebensformen legitime und reale Wesen sind, die gleichermaßen eigene Rechte verdienen. Eine parallele Verschiebung des vorherrschenden Paradigmas muss jede RoN-Bewegung begleiten.
Wir müssen mit der Natur und der Art, wie auch wir Natur sind, wieder vertraut werden. Wir müssen zulassen, dass ein neues menschliches Gesetz entsteht, das von der Erde geschrieben wurde. Eines, das uns einlädt, aktiv an der poetischen und moralischen Erhebung der lebendigen Welt teilzunehmen. Als solches ist die Earth Jurisprudence-Bewegung eingebettet und unterstützt durch einen viel breiteren Perspektivwechsel – der Akzeptanz, dass wir Menschheit nicht im Mittelpunkt von allem stehen.
Um erdzentrische anstatt anthropozentrische Menschen zu werden, müssen wir wieder wild werden, in Umgebungen eintauchen. In die, in welchen mehr als nur der rationale Verstand beschäftigt ist (ich wage zu sagen, der tierische Verstand…). Wir müssen uns sensibilisieren und verstehen, wie ein Co-regeneratives System des Menschen Recht und Ethik aussehen könnte. Die Kultur bestimmt das Recht ebenso wie das Recht die Kultur bestimmt.

Diese kulturelle Transformation könnte alles umfassen. Von ortsbezogenem ökologischem Verständnis und Pädagogik hin zu Bioregionalismus, Permakultur, regenerativen Landpraktiken und Landwirtschaft, Biopoesie, Animismus, Wildnistrainings und vielen weiteren Formen der Wiederverbindung, welche die Menschen dazu inspirieren, wichtige Rollen als Brücken und Übersetzer für die lebendige Erde zu übernehmen.
Ich glaube, dass das, was derzeit wirklich gefordert ist, eine spirituelle Antwort auf unsere Umweltkrise ist, welche in Recht und Ethik verankert ist. Nur wenn wir uns unserer planetarischen Verantwortung in einem Zustand der Ehrfurcht, des Mitgefühls, der Harmonie und des Dienens nähern, wird uns das ultimative Geschenk gewährt – die Erlaubnis zu leben, zu atmen und zu lieben auf dieser erstaunlichen, kostbaren Erde von solch erschütternder Schönheit.
Fortsetzung folgt…

Original im Englischen von Gast-Autorin: Alexa Firmenich
Alexa Firmenich ist Moderatorin und Investorin mit Fokus auf Klima und Tiefenökologie. Sie ist die Gründerin von Ground Effect, einem animistischen Investmentvehikel, das in naturbasierte Lösungen, wissenschaftliche Forschung und Aktivismus im Frühstadium investiert. Sie ist Associate bei Leaders Quest, wo sie Lernreisen in die „Natur“ entwirft und über ein kreatives Arbeitsportfolio verfügt, das sich darauf konzentriert, die vielen Sprachen der Natur durch Schreiben, Fotografieren, Podcasting zu übersetzen und Gruppen in das Land als Wildnisführer zu bringen. Derzeit pendelt sie zwischen der Schweiz und Mexiko.