Beim Wort „Polyamorie“ oder der Bezeichnung „offene Beziehung“ spielt sich bei vielen sofort ein wilder Kopffilm von hemmungslosen Orgien, erlaubtem Fremdgehen oder sexsüchtigen, sprunghaften Personen ab, die nicht wissen, was sie wollen. Für Leute, die in einer polyamoren Beziehung leben, gelten diese Vorurteile jedoch beleidigend und haben wenig mit der Realität zu tun. Denn Polyamorie hat mehr zu bieten als einfach nur stupiden Sex mit vielen Partnern.
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„Poly“ steht für viele
Das Wort Polyamorie stammt aus dem griechisch-lateinischen und bedeutet “viel Liebende.” Polyamoristen empfinden das Gefühl der Liebe also für mehr als nur eine Person. So leben diese Menschen in Beziehungen mit mehreren Partnern parallel, führen in den meisten Fällen allerdings Zweierbeziehungen mit diesen Personen. Das heißt, die Partner wissen zwar voneinander, müssen aber nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben. Das gilt auch für den Sex, welcher sich in einer polyamoren Beziehung trotz der anderen Partner mehrheitlich auf eine Begegnung zu zweit beschränkt.
Klar kann es in einer polyamoren Beziehung auch zu Gruppensex kommen, aber das hat weniger mit der Lebensform an sich zu tun als mit der Art und Weise, wie manche Menschen ihren Trieb ausleben. Es geht im Grunde darum, möglichst viel Liebe zu erfahren und frei mit seinen Gefühlen umgehen zu dürfen. Jeder soll sich verlieben dürfen, in wen er will, ohne seine Gefühle unterdrücken zu müssen.
Für Polyamoristen gibt es aber ein ungeschriebenes Gesetz: Alle Involvierten wissen Bescheid und müssen mit weiteren Beziehungen des anderen einverstanden sein. Heimliches Fremdgehen ist tabu. So grenzen sich Polyamoristen entschlossen von der „Freien Liebe“ oder von Swingern ab, die lediglich auf unbeschwerten Sex ausgerichtet sind. Bei der Polyamorie hingegen liegt der Schwerpunkt auf engen, dauerhaften Beziehungen – und vor allem auf Ehrlichkeit.
Eifersucht in der Polyamorie, gibt es das?
Ehrlichkeit und eine gute Kommunikation sind das eine, aber wir sind immer noch Menschen und haben Gefühle und Emotionen. Wie kann Polyamorie also funktionieren, wenn ein Partner eifersüchtig ist. Ist Eifersucht in einer polyamoren Beziehung überhaupt ein Thema? Eifersucht hat wahrscheinlich jeder von uns schon einmal in irgendeiner Form erlebt. Sie ist eine Mischung aus unterschiedlichen Emotionen und entsteht meist aus Unsicherheit heraus.
In der Polyamorie, wo man nie die 100-prozentige Aufmerksamkeit seines Partners für sich haben kann, ist die Eifersucht natürlich fehl am Platz. Das heißt aber nicht, dass es sie nicht gibt. Eifersucht gehört dazu, es kommt nur darauf an, wie man damit umgeht. Denn im Grunde ist die Eifersucht ein Zeichen dafür, dass ein bestimmtes Bedürfnis im Moment nicht befriedigt ist. Es liegt also an einem selbst, das in den Griff zu bekommen. Dem Gefühl auf den Grund zu gehen und herauszufinden, woraus es resultiert. Wie gesagt, solche Gefühle sind menschlich und deshalb auch in einer polyamoren Beziehung völlig normal.
„Eifersucht gehört irgendwie auch mit dazu. Ich war es jetzt sehr, sehr lange nicht mehr. Ich nehme meine Eifersucht immer als ein Zeichen dafür, dass irgendein Bedürfnis, was ich habe, nicht befriedigt ist. Die Eifersucht gibt mir dann ein kleines Signal und sagt: “Hallo, irgendetwas stimmt hier nicht.” Und ja, dann schaue ich, was mir gerade fehlt.“
Sagt Susann Dietzmann Paartherapeutin aus Leipzig in einem SWR1 Interview.
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Es gibt Unterschiede
Im Zusammenhang mit Polyamorie fällt oft auch der Begriff Polygamie. Diese beiden Lebensmodelle lassen sich allerdings klar voneinander unterscheiden. So ist es bei der Polygamie eher so, dass in den meisten Fällen ein Mann eine Ehe oder eheähnliche Beziehung mit mehreren Personen des anderen Geschlechts führt. Polygamie ist darüber hinaus sogar verboten! In Deutschland nach § 1306 BGB und § 172 StGB. So kann die Doppelehe mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden (§ 172 StGB).
Polyamorie kann Dir niemand verbieten. Niemand kann Dir vorschreiben, mit wie vielen Leuten Du eine Beziehung führst, geschweige denn, wie viele Menschen Du liebst. Dennoch ist das Thema nach wie vor ein Tabu und wird erst seit ein paar Jahren in einer breiteren Bevölkerungsgruppe wahrgenommen. Thematisiert wird diese Lebensform zum Beispiel auf Formaten wie YouTube, wo immer mehr junge Reporter sich dafür interessieren, wie das Leben in einer polyamoren Beziehung aussieht.
“Ich hatte meine früheren monogamen Beziehungen meist schnell beendet, weil ich Lust auf andere Begegnungen hatte. Ich dachte immer, ich liebe die Person nicht genug”
Sagt Michaela, 37, aus Zürich gegenüber Vice
Polyamorie? Dafür bin ich nicht der Typ…
Kann jeder polyamor leben? Klar kann das jeder. Jeder, auf den ein solches Lebensmodell ansprechend wirkt. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mich gefühlstechnisch immer nur auf eine Person einlassen kann. Dennoch ist es auch bei mir so, dass ich meist nach zwei Jahren das Interesse an anderen Männern wiederfinde. Und das liegt gar nicht mal daran, dass ich die andere Person nicht mehr liebe. Mir fehlt in dem Moment einfach was. Etwas Neues… Ist es dann da, schwindet das Interesse am bisherigen Partner. Das denke ich hat wenig damit zu tun, dass ich eine Person bin, die für die Polyamorie offen ist, als mehr damit, dass mir einfach irgendwann langweilig wird.
Was ich damit sagen will ist, dass jeder für sich selbst herausfinden muss, ob er der Typ für ein solches Beziehungsmodell ist, oder nicht. Man kann sich langsam herantasten, mit einem Partner, der ebenfalls offen dafür ist. Ich denke, man wird relativ schnell merken, ob die Polyamorie etwas für einen ist oder nicht. Was aber bestimmt sehr wichtig ist, ist ein bestimmtes Level an Reife und emotionaler Intelligenz. Denn einfach ist ein solches Beziehungskonstrukt bestimmt nicht und es birgt mit Sicherheit viele emotionale Herausforderungen.
Aber warum tut man sich das an? Nun ich verstehe das schon, denn wie gesagt, ich bin auch eher eine Person, die sich ungern festlegt. In der Polyamorie ist sich eben jeder einig, dass alle Beteiligten das Recht haben, sich gefühlstechnisch frei entfalten zu dürfen. Niemand muss seine Gefühle unterdrücken, weil er Angst hat, denn anderen dadurch zu verletzen. Man kann immer ehrlich und offen miteinander sein, ohne etwas Böses befürchten zu müssen. Da frage ich mich schon, ob es nicht das ist, wonach wir alles streben sollten…
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