Was hat die weltweite Finanzkrise mit unserem Verhalten in Bezug auf Geld zu tun? Kein “Moralappell”, doch ein Aufruf von Ruediger Dahlke unser Denken und Verhalten unter die Lupe zu nehmen.
Alte Seelen in modernen Zeiten
Wir haben dem Geld seinen sinnlichen Bezug, den es als Goldtaler noch hatte, heute weitgehend genommen. Dabei ist auch das Gefühl für die Qualität immer mehr abhanden gekommen. Viele Menschen erleben ja auch, dass sie mit Scheckkarten viel großzügiger sind als mit Bargeld, dessen sinnlich qualitativen Aspekt sie noch viel deutlicher spüren. Das wird mit virtuellem Geld noch ausgeprägter sein. Wobei wir nicht vergessen sollten, dass auch von diesen Zahlen auf PC-Bildschirmen Menschenleben abhängen. Die Seele weiß es jedenfalls und bewertet es entsprechend. Ähnliches ist über die Digitalisierung und den Vormarsch des Internet in vieler Hinsicht geschehen.
Wenn moderne Jugendliche CDs kopieren und Musik aus dem Netz herunterladen, haben sie dabei kein Gefühl von Diebstahl mehr, die bestohlenen Musiker aber schon, und die Seelen der modernen Diebe ebenfalls. Ähnliches erleben wir mit Anmeldungen über das Internet. Eigentlich wäre ein Klick genauso bindend wie eine Unterschrift, aber moderne, das Internet gewohnte Menschen erleben das nicht so. Offenbar weil in der Anonymität des Netzes Lug und Trug salonfähig geworden sind, halten sie sich lange nicht so verlässlich an die Konsequenzen ihrer Clicks wie ihre Vorfahren an die ihrer Unterschriften. Auf Anmeldungen über Internet kann man sich jedenfalls nicht annähernd so verlassen wie auf die alten per Unterschrift. Ob die Digitalisierung oder das Netz nun unmoralischer machen, sei dahingestellt, jedenfalls ist unsere Seele langsamer in ihrer Entwicklung und hat die entsprechenden Schritte noch nicht mit vollzogen, beziehungsweise richtet sich weiter nach alten Richtlinien. Die Seele bewertet nach einer uralten, ja archetypischen Moral, während der moderne Mensch immer amoralischer agiert.
Ähnliches ergibt sich mit an der Börse „verdientem“ beziehungsweise „erspielten“ Geld. Nach deutschem Recht gelten Zinserhebungen oberhalb von 16 Prozent als Wucher und sind folglich verboten, an der Börse aber ist alles erlaubt und deutlich höhere Gewinne sind nicht selten. Wer sich im Sinne von „Woran krankt die Welt“ überlegt, wie es dazu kommt, wird leicht verstehen, dass dieses Zusatzgeld fast nur auf dem Buckel leidender Menschen „erwirtschaftet“ werden kann.
Insofern wird es damit ebenfalls zu einer Art Blutgeld und bekommt diese ganz besondere Qualität, die – nach meinen Erfahrungen – dafür sorgt, dass kaum jemand mit solchem Geld glücklich wird. Jedenfalls hat dieses Geld – in den Augen und Seelen vieler Betroffener – einen ganz anderen Charakter als mit „ehrlicher Arbeit“ verdientes. Darüber ob Spekulation ehrliche Arbeit ist, mag man intellektuell streiten. Die Seele aber ist entschieden und bestimmt unsere Lebensqualität. Und daran, dass es im Leben verschiedene Qualitäten gibt, zweifeln ja nicht einmal moderne Menschen. Früher galt jede Zinserhebung als Wucher, dann nur noch die über 16 Prozent, während die Börse den Begriff nicht mehr kennt und alles erlaubt. Aber unsere altmodische Seele hat sich diesem Trend nicht angeschlossen.
D.h. nun nicht, dass die Börse etwas Schlechtes ist. Im Gegenteil, sie ist die Bank der Industrie und als solche auch notwendig in unserem Wirtschaftssystem. Wer also Anteile an einer Firma kauft, weil er sich mit dieser und den erzeugten Produkten identifiziert und auf diesem Weg zum Mitbesitzer der Firma wird, ist von diesen Gedanken nicht betroffen, er wird in der Regel aber auch gar nicht so horrende Gewinne machen, sondern von guten Zeiten der Wirtschaft profitieren und schlechte mit seiner Firma durchleiden. Die modernen Spieler des Börsenspiels, denen es darum geht, mit Spekulation schnelles Geld zu verdienen, gewinnen mit ihrem auch „Abzocken“ genannten Verfahren Geld ganz anderer Qualität. Dieses wird für sie selbst beziehungsweise ihre Seele zum Problem, obwohl der Weg seines Erwerbs nach den weltlichen Gesetzen moderner Staaten legal ist.
Letztlich kann Geld jede Qualität annehmen, die Menschen ihm geben. Wenn die Mafia Chicago zeitweise zur reichsten katholischen Diozöse gemacht hat, erscheint uns das verdächtig. Aber ist Geld, das ein gut meinender dortiger Priester zur Unterstützung armer Slumkinder nutzt, deshalb schlecht? Ethik existiert natürlich unabhängig von Geld, aber am Geld zeigt sich die ethische Einstellung von Menschen deutlicher als in vielen anderen Bereichen.
Übung
- Erkenne ich noch Unterschiede bei von mir verdientem Geld?
- Welche Rolle spielen für mich Geldspiele? Was halte ich davon? Wie stehe ich zur Börse und den dort üblich gewordenen Spielen?
- Spiele ich unbewusst und indirekt mit, in dem ich mich an Fonds beteilige?
- Vermeide ich solche Erkenntnisse durch Wegschauen und Nichtinteresse?
- Wie altmodisch oder modern ist meine Seele bezüglich Geld eingestellt?
Moderne Lotto-Gesellschaften
Die moderne, staatlich geförderte Spieler-Gesellschaft vermittelt allerdings genau die Mentalität des Spielens um nicht zu sagen Abzockens, wo Nehmen ganz weit vor Geben rangiert. Auch wenn diese modernen Strategien finanziell mittelfristig erfolgreich sein mögen, für die Seele sind und bleiben sie wohl immer eine Zumutung.
Das Spiel mit dem System, die Trickserei und das Sich-Durchlarvieren unter Ausnutzung aller legalen und halblegalen Vorteile ist zu einer modernen Marotte geworden oder sollte man altmodisch Unsitte sagen? Moderne Staaten und besonders Staatenbündnisse wie die EU fördern mit ihrem Wust an Bestimmungen und ihren Wahlgeschenken diese Art von ungesunder Lebenseinstellung fast vorsätzlich. Das Ausbeuten der Solidarsysteme hat diese bereits an den Rand des Zusammenbruchs gebracht, Versicherungsbetrug gilt schon beinahe als normal, die Mentalität aus jedem Unfall Kapital zu schlagen, hat sich rasend verbreitet und ein Leben auf Kosten der Gemeinschaft ist zu einer Art Volkssport geworden.
Inzwischen verspeisen immer mehr unberechtigte Sozialhilfeempfänger die Gelder der wirklich Bedürftigen, die oft längst nicht raffiniert genug sind, das System entsprechend den sich bietenden Möglichkeiten auszuplündern. Das Muster ist einfach zu durchschauen, finanziell mäßig erfolgreich, für die Seele aber desaströs und es wird von immer mehr jungen Menschen entdeckt. Erst liegt man dem Papa möglichst lange auf der Tasche und danach Vater Staat, der inzwischen Beihilfen für fast alles bereithält. Moderne Staaten sind in heutigen Zeiten ebenso ungesund großzügig wie moderne Eltern. Es gibt in Deutschland bereits Jugendliche die auf die Frage, was sie mal werden wollen. Hartz 4 antworten.
Hier ist nicht der Ort für moralische Appelle, die meist sowieso ihr Ziel verfehlen. Es gilt sich klar zu machen, dass die eigene altmodische Seele bei all den Tricksereien nur widerstrebend mitmacht und die Betroffenen umso sicherer daran leiden lässt. Die Quantität des Geldes bestimmt – wissenschaftlich nachweisbar – keineswegs unser Glück, aber die eigene Seele bestimmt darüber. Ein intelligenter, am eigenen Glück interessierter Mensch wird sich folglich mehr um seine Seele kümmern und sie nicht ständig mit Tricks verärgern, die ihrem Wesen zutiefst zuwider sind.
Übung:
- Gehen Sie auf die Ebene der Entspannung und stellen sich folgenden Fragen:
- Wie stehe ich zu Trickserein im allgemeinen? Beim Fußball und im Leben?
- Ist Raffinesse zum eigenen Vorteil für mich wichtig und legitim?
- Nutze ich die Solidarsystem aus, oder bin ich eher solidarisch?
- Schlage ich heraus, was geht oder nur, was mir auch wirklich zusteht?
- Wie weit erlaube ich meinem Egoismus mein Leben zu bestimmen?
Weitere erkenntnisreiche Beiträge von Dr. Rüdiger Dahlke findest du in seinem Gastautoren-Blog bei uns auf HORIZONWORLD.
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