Ich beginne mit einem Bekenntnis und oute mich als radikaler Konstruktivist. Das Wort „radikal“ kann erschrecken und auf Intoleranz hinweisen. Das Gegenteil stimmt. Ein radikaler Konstruktivist bekennt sich zu der Ansicht, dass Wahrheit im Grunde nicht gesagt werden kann. Buddha sagte: Alle wesentlichen Antworten sind still. Daher kommt die Antwort auf alle Fragen aus der Stille. Und wird in gewissem Sinne von jedem einzelnen konstruiert. Somit ist Wirklichkeit aus dieser Sicht eine Konstruktion, geformt aus Überzeugungen und Erfahrungen.
Was ist Konstruktivismus?
Konstruktivismus ist eine Position der Erkenntnistheorie und lässt sich in viele einzelne Strömungen auffächern. Der „radikale Konstruktivismus“ besetzt die Position, dass sich Wissen in den Köpfen des Einzelnen zusammensetzt und Wirklichkeit daher – wie eben gesagt – grundsätzlich konstruiert ist.
Es ist lohnenswert, alles etwas tiefer zu durchdenken. Denn damit verschwindet die Idee der „harten Realität“ und weicht der aus meiner Sicht ungleich klügeren Einsicht, Wirklichkeit als weich, geschmeidig, biegsam und formbar zu betrachten. Denn damit stellen sich vollkommen andere Fragen. Ich war noch ein Student, als mir das klar wurde.
Die Frage lautet nicht: Wer hat Recht? Dieser letztlich egozentrische Blick verschwindet! Denn eine „harte Realität“ gibt es aus konstruktivistischer Sicht nicht.
Fragen, die aus einem konstruktivistischen Verständnis kommen, lauten so: Was ist intelligent? Wie lassen sich Lösungen erschaffen? Was ist nützlich oder möglich für alle? Weitere Fragen, die aus einem konstruktivistischen Verständnis stammen, sind zudem: Was ist kreativ? Worauf können wir uns verständigen? Was fühlt sich stimmig an?
Wenn wir Wirklichkeit als weich, biegsam und formbar verstehen, eben als Konstrukt, dann erscheint die Vorstellung von „Ich habe recht“ wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Der Unsinn und die damit verbundene Tunnelrealität werden offensichtlich. Ebenso Enge und Rigidität. Ich gebe zu: Ich kann damit nichts anfangen.
Die Helden des Konstruktivismus
Als Begründer des radikalen Konstruktivismus gilt Ernst von Glasersfeld (1917 bis 2010). Mich haben vor allem die Arbeiten von Heinz von Foerster (1911 bis 2002) und des Österreichers Paul Watzlawick (1921 bis 2007) nachhaltig inspiriert. Einige Leser werden den Klassiker von ihm kennen: “Wie wirklich ist die Wirklichkeit“ und sein grundlegendes Axiom: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“
Daraus leitet sich eine Grundthese ab, die meine Sicht auf das Leben und mein Verständnis für Kommunikation prägte: „everything communicates“ – alles, buchstäblich alles, kommuniziert. Es gibt nichts, was nicht kommuniziert!
Wirklichkeit als Konstrukt
Wer das als eine Grundhaltung versteht, der ist darauf bestrebt, eine möglichst liebevolle, beherzte, intelligente, ko-evolutionäre, ko-inspirierte Wirklichkeit zu erschaffen, die förderlich ist. Eine Wirklichkeit, die unser Zusammenleben erleichtert, die uns mit der Natur in einer guten Verbindung wirken lässt. Die auch Freude bereitet und Perspektiven kreiert. Eine Wirklichkeit, deren Grundton der Frieden ist. Es ist selbstverständlich, dass Toleranz und Interesse für andere Sichten grundlegend sind.
Wer versteht, dass alles kommuniziert, dessen Blick schärft sich nolens volens für das Detail. Ein solcher Mensch weiß, dass auch alle Formen, Farben, Stoffe und Materialien kommunizieren. Dass jedes kleinste Detail eine Note eines Konzerts ist, wie wir von anderen wahrgenommen werden und wie wir uns selbst wahrnehmen.
Es macht einen Unterschied, welche Zeitschriften und Magazine beispielsweise in einer Arztpraxis liegen. Es macht einen riesigen Unterschied, ob ich Wirklichkeit als fest und damit sowohl als hart als auch als gegeben verstehe oder eben als ein Konstrukt, das sich leicht ändern lässt. Standpunkte werden so zu beweglichen Korken im Wasser des Bewusstseins.
Wirklichkeit versus Täuschung
Die Täuschung liegt aus diesem Verständnis darin, Wirklichkeit in Beton gegossen zu verstehen. Schönheit sowie Intelligenz zeigen sich, wenn wir Wirklichkeit als eine Schöpfung verstehen und uns selbst als Schöpfer achten und anerkennen. Das führt uns zum Genius.
Der Genius
Der Genius ist ein Aspekt unseres Bewusstseins. Bemerkenswert ist, dass diese spezielle Kraft unseres Bewusstseins uns Menschen seit Jahrtausenden bekannt ist. Wir finden den Genius an der Wiege unserer abendländischen Kultur – bei den alten Griechen. Das Wort selbst hat sich aus dem Lateinischen bis in unsere Tage erhalten. Gemeint ist der Schöpfer-Geist in uns. Die alten Römer sprachen vom Schöpfergott in uns.
In der Renaissance gab es in Mitteleuropa einen regelrechten Genius-Kult. Allerdings wurde hier der Begriff des Genius auf das Künstlerische reduziert. Vorher und nachher gilt der Genius als die Kraft und Macht in uns, die uns zum Schöpferwesen macht. Zu Avataren.
Der Genius schenkt uns die Kraft der Manifestation. Im Genius bündelt sich die Kunst, aus dem formlosen Formen zu erschaffen. Wir tun das, indem wir die Information des Gedankens mit der Energie des entsprechenden Gefühls aufladen und fokussieren. Die Formel für den Genius lautet:
ICH BIN genial.
Denn das ICH BIN ist das kraftvollste Mantra der Manifestation, das es gibt. Mit dem ICH BIN bündeln wir die wirkende Gottes- oder Lebenskraft und richten sie auf das, was hinter dem ICH BIN folgt.
Hier ein paar Beispiele:
ICH BIN … die wirkende Kraft, ICH BIN … der Schöpfer meiner Erfahrungen, ICH BIN … ein Meister, der wirkt.
Oder:
ICH BIN … intelligent, ICH BIN … ein grandioser Schreiber, ICH BIN … ein wacher Mann.
Das offene Geheimnis des ICH BIN Mantras ist, mit dieser Meisterformel wird die Kraft, der Segen, das Wirken des Genius aktiviert. Es ist daher desaströs, wenn jemand von sich sagt: „ICH BIN zu blöd für dies oder das.“, „ICH BIN schlampig.“, „ICH BIN faul.“
Die unbändige Kraft des ICH BIN Mantras kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. ICH BIN verbindet uns mit der göttlichen Ordnung. Mit der Unendlichkeit des Universums. Das kleine Ich bin verbindet sich mit dem großen ICH BIN.
ICH BIN bedeutet: Es ist.
Der orientalische Ausdruck für das ICH BIN lautet OM.
Die Kraft von ICH BIN ist auch deshalb so wirkmächtig, weil sie uns mit dem identifiziert – also gleichsetzt – was hinter dem ICH BIN folgt. Der Weise nützt diese Kraft weise, bewusst und meisterlich.