Unter dem Namen multiple Persönlichkeitsstörung kennen wir eine Krankheit, die damit einhergeht, dass sich die Persönlichkeit bei betroffenen Menschen (meist) aufgrund traumatischer Erfahrungen im Kindesalter in mehrere Teile aufspaltet. In diesem Fall ist die Rede von einer dissoziativen Störung. Die verschiedenen Anteile der Persönlichkeit existieren nebeneinander und wechseln einander ab. Was aber, wenn wir im Grunde alle mehrere Persönlichkeiten haben, also über mehrere Ich-Formen verfügen?
Was ist das Bewusstsein?
Unser Bewusstsein gehört mit zu den größten Rätseln der Menschheit. Für die einen ist es eine Illusion, für die anderen ein subjektives Phänomen. Hirnforscher, Psychologen und Philosophen sind sich nicht ganz einig darüber, was unser Bewusstsein genau ist und wie wir es beeinflussen. Eines ist jedoch klar, das Bewusstsein beschreibt das, was wir sind. Das Ich also jenes Gefühl der Selbstwahrnehmung, der inneren Freiheit, des Lebens in der ersten Person.
Daniel C. Dennett ein amerikanischer Neurophilosoph hat sich neben zahlreichen anderen Interessierten der Frage des Bewusstseins angenommen und widmet sich in „Süße Träume“, der „Erforschung des Bewusstseins und dem Schlaf der Philosophie“. Er ist der Auffassung, dass Bewusstseinsforscher bisher eher mit Vorurteilen an die Erforschung unseres Geistes herangegangen sind. In seinen Büchern spricht er von „Dualismus„, „kartesischem Theater“ und „kartesischen Materialismus„
Mit „dualistisch“ meint Dennett insbesondere die Auffassung, der zufolge unser Gehirn vom Geist unterschieden werden müsse, da dieser nicht aus gewöhnlichem, sondern aus besonderem Stoff bestehe. Die Rede ist hierbei vom sogenannten „Körper-Geist-Dualismus“, welchen der Philosoph René Descartes bis zu seinem Tod vertrat.
Dennett hingegen ist der Meinung, dass unsere Geistestätigkeit, also das bewusste Handeln als Operationen einer virtuellen „Maschine“ im Gehirn arbeitet. So ist unser Bewusstsein gewissermaßen die Software dieser virtuellen Maschine. Im Grunde sei unser Bewusstsein also nichts anderes als eine Illusion, welche das menschliche Gehirn erzeugt, um eine „benutzerfreundliche Oberfläche“ zu schaffen.
Unser Ich aufgesplittert in verschiedene Bewusstseinszustände
Diese „benutzerfreundliche Oberfläche“ ist jedoch vielseitiger und facettenreicher als wir bisher dachten. Im Normalfall gehen wir davon aus, dass unser Bewusstsein eine stabile unteilbare Einheit darstellt. In Wirklichkeit ist das, was wir als unser Selbst empfinden aber in verschiedene Bewusstseinszustände aufgesplittert. Klingt verrückt, aber genauso ist es. Zumindest behaupten das die Hirnforscher und Neuropsychologen unserer Zeit. Es gibt also mehrere Ich-Formen, die unser Bewusstsein in einer Vielfalt unterschiedlichster Gestalten auftreten lassen können. Das heißt, dass alles, was wir als eine in sich geschlossene Identität wahrnehmen, in Wahrheit ein zusammengesetztes Konstrukt aus verschiedensten Ich-Formen oder Bewusstseinszuständen ist.
Die Hirnforscher und Neuropsychologen unterscheiden hierbei inzwischen bis zu neun Bewusstseinszustände, die wir jeweils unbewusst und automatisch mit unserem Ich in Verbindung bringen:
- die Wahrnehmung von Vorgängen in der Umwelt und im eigenen Körper („Ich höre ein Geräusch, ich empfinde Schmerz, mich juckt etwas”)
- mentale Zustände wie Denken, Erinnern, Vorstellen („Ich grübele über ein Problem, ich erinnere mich an einen Urlaub, ich überlege, was ich morgen machen werde”)
- Bedürfnisse, Affekte, Emotionen („Ich habe Durst, ich bin erschöpft, ich ängstige mich”)
- das Erleben der eigenen Identität und Kontinuität („Ich bin der, der ich gestern war”)
- die Meinigkeit des eigenen Körpers („Dies sind meine Beine, meine Hände, mein Gesicht”)
- die Autorschaft und Kontrolle eigener Handlungen und Gedanken („Ich möchte das tun, was ich gerade tue”)
- die Verortung des Selbst in Zeit und Raum („Es ist Ostermontag, ich befinde mich zu Hause”)
- die Unterscheidung zwischen Realität und Vorstellung („Was ich sehe, existiert wirklich und ist kein Traum”)
- das selbstreflexive Ich („Wer bin ich? Warum tue ich etwas?”)
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Es mag zunächst befremdlich wirken, wenn wir darüber nachdenken, dass das Ich, welches gerade Hunger hat, ein anderes ist als das, welches gerade aus dem Fenster sieht und die Aussicht genießt. Dennoch, bei den Untersuchungen ist herausgekommen, dass jeder Einzelne dieser Ich-Zustände unabhängig voneinander existieren kann.
Dieses Phänomen zeigt sich beispielsweise bei Patienten mit bestimmten neurologischen Störungen, die ihr Ich auf dramatische Weise anders wahrnehmen als gesunde Personen. Bei einem Hirntumor etwa kann es passieren, dass Patienten ihr selbstreflexives Ich verlieren. Das heißt, sie sind nach wie vor in der Lage, ihren Körper zu spüren, zu sprechen oder sich Gedanken über das Wetter zu machen. Was fehlt, ist der Bezug zu sich selbst, sie wissen nicht, wer sie sind. Das kann so weit gehen, dass diese Menschen sich nicht einmal mehr im Spiegel erkennen. Darüber hinaus gibt es Fälle von Menschen, die nicht wissen, wo sie sich gerade befinden oder gar denken, sie wären an zwei Orten gleichzeitig. Für diese Menschen ist das aber normal und alles andere als seltsam.
Die diversen Bewusstseinszustände, die wir annehmen können, sind in der Regel immer da, aber nicht zur gleichen Zeit präsent. So wechseln sich die Facetten unseres Bewusstseins ständig ab und das so, dass wir es kaum bis gar nicht mitbekommen. Hier findet ein ständiges Kommen und Gehen verschiedenster Zustände, die wir, wenn wir bewusst darauf achten, sogar bemerken. In dem einen Moment sitzen wir noch konzentriert bei der Arbeit, während wir im nächsten Moment schon daran denken, was wir zu Abend kochen. Das klingt banal, aber genauso erklären die Forscher die Funktionsweisen unseres Bewusstseins.
Wie hängt unser Bewusstsein mit dem Gehirn zusammen?
Wenn man sich mit dem Thema ein wenig beschäftigt, kommt vielleicht die Frage auf, warum unser Leben nicht im völligen Chaos stattfinden, wenn so viele Ich-Formen die Kontrolle über unser Wesen nehmen. Nun, theoretisch ist das eine gute Frage. Praktisch sieht es aber so aus, dass unser Gehirn in diesem Bereich volle Arbeit leistet. Das Gehirn sorgt dafür, dass dieser permanente Wandel von Bewusstseinszuständen nicht dazu führt, dass unser Leben mehrmals am Tag aus den Fugen gerät, indem es all diese fragilen Teile zu einer meist widerspruchsfreien, nahtlos zusammenhängenden Geschichte des eigenen Ich verwebt.
Darüber hinaus gehen Forscher davon aus, dass unser Bewusstsein auf der Basis von Hirnfunktionen entsteht und somit für die Entwicklung des Bewusstseins bestimmte Leistungen des Gehirns erforderlich sind. So gilt das Gehirn zusammen mit dem Rückenmark als Schaltzentrale des Menschen. Hier werden Prozesse gesteuert und koordiniert, um von außen kommende Reize zu verarbeiten.
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