Dass die Mietpreise in Deutschland hoch sind, ist kein Geheimnis. Vor allem in München lässt es sich kaum noch wohnen, wenn man zur normalen Mittelschicht gehört. Warum die Mietpreise so hoch sind, darüber scheiden sich die Geister. Eine Gruppe investigativer Journalisten hat nach langer Recherche eine der Hauptursachen ausgemacht – unsere Steuerpolitik.
Steuerfreiheit für Immobilieninvestoren
Wer in Europa das Glück hat in die Welt der Immobilienbranche einzutauchen, kann es unter Umständen sehr gut haben. Denn einige europäische Staaten locken Immobilieninvestoren durch attraktive Steuerregeln. Neben Deutschland zählen hier zum Beispiel auch Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Norwegen, Polen, Portugal und Ungarn dazu. Zwar unterscheiden sich die Steuerausnahmen in vielen Ländern, dennoch gibt es einige Schlupflöcher, wie etwa Veräußerungsgewinne beim Hausverkauf, die nicht oder nur sehr selten besteuert werden müssen.
Diese Steuernachlässe fördern laut einiger Ökonomen die Spekulation mit Wohnräumen und somit die Steigerung von Mietkosten. Der Steuerfachmann des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Stefan sagt im Gespräch mit Investigate Europe, dass
„Bei der Besteuerung von Immobilien erhebliche steuerliche Privilegien existieren, von denen insbesondere die obersten Schichten der Einkommens- und Vermögensverteilung profitieren.“
Der Chef des Münchener ifo-Instituts, Clemens Fuest bestätigt ebenfalls,
„dass die Preise von Immobilien sehr, sehr stark mit der steuerlichen Behandlung zu tun haben“.
Es sei unbestreitbar, „dass solche Besteuerungslücken die Preise von Immobilien in die Höhe treiben.“
Hunderte Milliarden Euro in den Wohnungsmarkt gelenkt
In Deutschland gilt die Regel, dass Gewinne aus einem Immobilienverkauf nicht besteuert werden müssen, wenn sich das Haus 10 Jahr in Besitz befand. Ferner besteht für Wohnungsvermieter die Möglichkeit sich von der Gewerbesteuer befreien lassen und Erben von Immobilienunternehmen mit mehr als 300 Wohnungen müssen keine Erbschaftssteuer zahlen.
Wissenschaftler sprechen hier bereits von einer „Fehlallokation“ von Kapital in Milliardenhöhe. Denn die Menschen würden nicht in Häuser investieren, wenn es keine Steueranreize gäbe. Ein Professor für Steuerlehre an der Uni Magdeburg, Sebastian Eichfelder, berechnete für Investigate Europe, dass diese Überinvestition 68 bis 110 Milliarden Euro betragen – pro Jahr.
Die Regierungen bewirken mit dieser Art der Politik also genau das Gegenteil von dem, was sie immer versprochen haben, und zwar, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Eichfelder sagt dazu gegenüber Investigate Europe,
„Es müsste viel mehr über diese steuerlichen Privilegien gesprochen werden, die im Wesentlichen dem reichsten Prozent der Bevölkerung zugutekommen.“
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Steuerpolitik – Entwicklung des Marktes geht über die Steuerregelung hinweg
Die Politik ging bisher davon aus, dass lang gehaltene Immobilien nur geringe Wertzuwächse haben. Es schien, als würde die Steuerbefreiung nach zehn Jahren bei vermieteten Immobilien nicht ins Gewicht zu fallen.
„So kann man durchaus argumentieren, aber dass man dann nach zehn Jahren Wertzuwächse steuerfrei stellt, das ist problematisch, vor allem in einer Zeit, in der eben die Immobilien sehr, sehr stark an Wert gewinnen“
Sagt der Ökonom Clemens Fuest vom Ifo-Institut. Die Entwicklung des Marktes ging über die Steuerregelung hinweg, wodurch die Preise stiegen, und die Steuerlücke blieb. Durch die Nicht-Besteuerung der Veräußerungsgewinne nach zehn Jahren entgehen dem deutschen Staat jährlich bis zu 6 Milliarden Euro. So eine Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem vergangenen Jahr.
„Investoren, die sich Mietshäuser kaufen, das sind ja in der Regel Leute, die hohe Einkommen haben, und die können so steuerfreie Einkommen erzielen, während andere Einkommen, andere Kapitaleinkommen sehr hoch besteuert werden. Das ist eine nicht zu rechtfertigende Lücke im Steuersystem.“
So Fuest weiter.
Privilegierung von einkommensstarken Bürgern
Hans Volckens, Vorsitzender des Steuerausschusses beim Zentralen Immobilien-Ausschuss stütz die Aussagen von Clemens Fuest. Er ist überzeugt, dass eine Bevölkerungsgruppe hier klar privilegiert wird.
„Das ist natürlich schon auch eine Privilegierung, die wir sehen müssen. Zinsen beispielsweise, die ich mit 25 % plus Solidaritätszuschlag besteuern muss, wenn ich sie bekomme, sind ja letztlich auch gesetzgeberisch ein Wille, dass man hier eine gewisse Privilegierung hat. Ja, das ist es, brauchen wir gar nicht drum herumreden. Natürlich ist das eine Privilegierung.“
Volckens stellt sich allerdings eher die Frage, warum nicht die stärkere Besteuerung anderer Kapitaleinkünfte zurückgefahren wird.
„Anstatt dass wir Steuerprivilegien für die breite Masse ausloben, in welcher Form auch immer, ist es eigentlich nur noch dabeigeblieben, dass wir die Abgeltungssteuer haben und diese Steuerfreiheit des Immobilienbesitzes nach zehn Jahren.“
Ist das Problem in der Steuerpolitik angekommen?
Die oben genannten Steuerschlupflöcher lockten das Kapital primär in den Kauf und Verkauf von Bestands-Immobilien. Daher hat der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2022 versucht, gegenzusteuern. Die Abschreibungsmöglichkeiten für Neubauten wurden erweitert.
Die Politik hat das Problem also durchaus, allerdings wäre noch mehr Einsatz nötig, um es zu lösen. Die Grünen hatten in ihrem Wahlprogramm gefordert, Veräußerungsgewinne angemessen zu besteuern, während die SPD forderte, die Steuerfreiheit nach zehn Jahren ganz abzuschaffen.
„Es ist ein wichtiges Thema, was Steuergerechtigkeit angeht. Wir haben das zum Thema gemacht. Wir haben das in unserem Wahlprogramm gehabt, dass wir hier die Abschaffung der Spekulationsbefreiung für Immobilien haben wollen. Aber so wie es ist, ist ein Koalitionsvertrag auch ein Kompromiss. Und die Abschaffung der Spekulationsbefreiung für Immobilien hat es leider nicht in diesem Kompromiss geschafft.“
Sagt die Staatssekretärin und SPD-Politikerin im Bauministerium, Cansel Kiziltepe.
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