Viele Konzerne zeigen ein hohes Maß an Kreativität, wenn es darum geht, ihre Gewinne vor dem Finanzamt zu verschleiern und so wenig Steuern wie möglich zu zahlen. Wir stellen dir 10 internationale Konzerne und deren Tricks zur Steuervermeidung sowie die Hitliste der 7 offiziellen Steueroasen 2022 vor.
Von wie viel Geld sprechen wir?
Berkeley-Ökonom Gabriel Zucman hat mit den Kopenhagener Kollegen Thomas Tørsløv und Ludvig Wier 2018 eine Studie vorgelegt (“The Missing Profits of Nations”). Das Besondere bestand damals darin, dass die Autoren auch auf makroökonomische Daten aus vielen Steueroasen zugreifen konnten – eine Folge der von den OECD-Staaten neuerdings durchgesetzten etwas größeren Transparenz.
So lies sich erstmals schätzen, wie viel Gewinne multinationale Konzerne in bestimmten Ländern verbuchen, um ihre Steuerlast zu senken: Zucman, Tørsløv und Wier beziffern den Anteil auf 40 Prozent der gesamten Profite. Im Jahr 2015 wurden demnach 543 Milliarden Dollar (460 Milliarden Euro) allein aus den OECD-Staaten und sieben großen Schwellenländern verschoben, zumeist in Richtung Irland, Karibik, Singapur, Schweiz oder Niederlande.
Besonders aktiv seien dabei US-Konzerne – aber zu den größten Verlierern zählte der deutsche Staat. 55 Milliarden Dollar der verschobenen Profite stammen aus Deutschland, und der hiesige Fiskus verlor 28 Prozent seiner potenziellen Einnahmen aus Unternehmenssteuern.
10 der größten Steuertrickser
Der arbeitenden Bevölkerung werden die Steuern direkt vom Lohn abgezogen. Konzerne dagegen wenden allerhand Tricks an, um Gewinne zu verschleiern und so wenig Steuern wie möglich zu zahlen.
Zara
- Schätzungsweise 240 Mio. Euro hat der Mutterkonzern des spanischen Textilunternehmens Zara, Inditex, allein im Zeitraum zwischen 2009 und 2014 an Steuern vermieden
- Gewinne, die in Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien erwirtschaftet wurden, wurden an eine kleine Tochterfirma in Holland und anschließend an deren Zweigstelle in der Schweiz weiterverrechnet
- So konnte das Unternehmen seinen Profit von 638 Mio. Euro im Jahr 2013 auf 2,4 Milliarden Euro im 2015 vergrößern
Disney
- Im Geschäftsjahr 2021 konnte die Walt Disney Company einen Gewinn von rund 3,19 Milliarden US-Dollar verbuchen.
- Steuerraten auf den Gewinn betrugen in den vergangenen Jahren teilweise unter 1 Prozent
- Disney verlagerte seine Gewinne nach Luxemburg, wo der Konzern eine interne Bank gründete, die ihre Gewinne mit weniger als einem Prozent versteuerte
Apple
- 0,005 Prozent, so viel musste Apple 2014 auf seine gigantischen Gewinne zahlen
- Dies schaffte der Konzern durch die Gesellschaften Apple Sales International (ASI) und Apple Operations Europe. ASI hat keinen Firmensitz und wird so steuerlich nicht erfasst
- 2020 wurde Apple zu einer Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro verdonnert, doch der Konzern wehrt sich mit Händen und Füßen.
- Der in Silicon Valley ansässige Internetkonzern Google soll 2012 der Financial Times zufolge Lizenzeinnahmen von 8,8 Milliarden Euro über Irland und die Niederlande in den Steuersumpf Bermudas verschoben haben.
- Der durchschnittliche Steuersatz betrug dadurch unter 5 Prozent
- In Frankreich und Italien wurde gegen Google aufgrund des Verdachts auf Steuerbetrug ermittelt. In Italien ging es damals um insgesamt 225 Mio. Euro, zusammengesetzt aus “Gebühren”, die Google Italia an den Mutterkonzern überwies, und nicht angegebenen Gewinnen von ca. 100 Mio.
- In Frankreich ging es um eine Steuernachzahlung von stolzen 1,6 Milliarden Euro.
Amazon
- 2012 musste Amazon nur 3 Mio. Körperschaftssteuer zahlen – auf einen Gesamtumsatz von 6,8 Milliarden Euro
- Im selben Jahr überwies Amazon Deutschland 118 Mio. Euro der in Deutschland gemachten Gewinne nach Luxemburg, wodurch die Gewinne steuerfrei wurden. Ein Verlust von 35,4 Mio. Euro Steuereinnahmen…
- Zwar zahlt Amazon seit dem 1. Mai 2015 Steuern auf die in Deutschland gemachten Gewinne, doch verkleinert Amazon seine Gewinne künstlich anhand von Tochtergesellschaften, die hohe Gebühren für die Nutzung von Patenten und Markenrechten verrechnen. So bleiben die gezahlten Steuern immer noch auf einem lächerlich niedrigen Niveau

Ikea
- Der weltweit beliebte Möbelhersteller hat es geschafft, durch die Schaffung eines verschachtelten Konzern-Dschungels, die tatsächliche Umsatzhöhe zu verschleiern
- ATTAC schätzt, dass Ikea auf den Gesamtgewinn von 6 Mrd. Euro insgesamt rund 15 % Steuern zahlt. Die tatsächliche Höhe dürfte noch geringer sein.
McDonald’s
- Auch McDonald’s soll Gewinne nach Luxemburg verschoben haben
- Französische Behörden ermittelten bereits gegen den Fast-Food-Megakonzern wegen des Verdachts auf Steuerbetrug: Damas ging es um 75 Millionen Euro jährlich
- Auch die EU-Kommission leitete 2015 ein Verfahren gegen McDonald’s ein, da der Konzern sowohl in Luxemburg als auch in den USA „praktisch keine Körperschaftssteuer auf seine Gewinne gezahlt hat“
Starbucks
- Wenn Steuervermeidung eine olympische Disziplin wäre, dann wäre Starbucks Topfavorit auf die Goldmedaille
- Die Kaffeehaus-Kette zahlte im gesamten Jahr 2019 nur 2.848,43 Euro Steuern.
- Auch hier funktioniert der Trick über die Zahlung von Lizenzgebühren an eine Zentrale in den Niederlanden, um den zu versteuernden Gewinn zu drücken
Raiffeisen
- Keine Steuern zahlen ist eine Kunst, wahre Meisterschaft erlangt hat der, der dazu noch eine Gutschrift vom Staat erhält. Der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien ist jenes Kunststück gelungen
- In den Jahren 2006 bis 2008 zahlte die Bank nicht nur keinen Euro Steuern, sie schaffte es auch eine Gutschrift vom Staat in der Höhe von 21,6 Mio. Euro zu ergattern – das alles bei einem Gewinn von 739 Mio. Euro
- Alle österreichischen Landesbanken insgesamt erreichten einen Gewinn von 1,9 Milliarden Euro, von welchem sie rund 19 Mio. Euro Steuern zahlten. Das ist ein Steuersatz von exakt 1 %.
- Offizieller Steuersatz für österreichische Banken ist 25 % – vorausgesetzt die Raiffeisenlandesbanken hätten sich an die Regeln gehalten, wären 475 Mio. Euro fällig gewesen
Deutsche Bank / Commerzbank
- Die Komplizen: Deutsche Banken unterstützen ausländische Investoren dabei, Steuern zu vermeiden, und das nicht zu knapp – seit 2011 haben sie einen Schaden von rund 5 Mrd. Euro angerichtet
- Dafür wurde ein Steuertrick ausgenutzt: Kurz vor Auszahlung der Dividende verleihen ausländische Aktionäre ihre deutschen Aktien an inländische Banken, die sich – anders als die ausländischen Anleger – die Kapitalertragssteuer anrechnen lassen können. Danach werden die Aktien zurückgereicht und die gesparte Steuer geteilt.
Wie funktioniert die Steuervermeidung?
Ein Steuervermeidungs-Klassiker ist das Prinzip des Kleinrechnens und Verschiebens von Gewinnen in Niedrigsteuerländer und Steuersümpfe. Wie verschiebt man einen in Österreich erwirtschafteten Gewinn etwa zum Finanzplatz Zypern mit einem Steuersatz von lediglich 12,5 Prozent? Man gründet eine Tochterfirma mit Sitz in einem Niedrigsteuerland. Diese verrechnet dem Mutterkonzern, der die tatsächliche Wertschöpfung betreibt, überteuerte Leistungen. Etwa Gebühren für Lizenzen, Marken- oder Namensrechte, technisches Know-how oder die Lieferung von Rohstoffen. Dadurch schmälern sich die Gewinne des Mutterkonzerns und wandern zur Tochterfirma im Niedrigsteuerland. Der zu versteuernde Betrag verkleinert sich massiv. Den Staaten entgehen dadurch Milliarden.
Wer unterstützt die Konzerne?
Die großen, international tätigen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien wie PricewaterhouseCoopers, Ernst & Young, Deloitte oder KPMG. Auf ihren Internetseiten werben sie mit „Maßnahmen zur Optimierung von Steuerzahlungen von Großkunden“. Richard Murphy, Professor für internationale politische Ökonomie an der City University of London, sieht in dieser Beihilfe eine Gefährdung für die Demokratie. Er erklärt:
Wenn Sie den roten Faden wissen wollen, wie Steuermissbrauch und Steueroasen ermöglicht werden und wie Unternehmen, die die globalisierte Welt dominieren, dabei unterstützt werden, ihre steuerlichen Verpflichtungen zu umgehen: Es sind die Big Four (PwC KPMG, Deloitte and Ernst & Young). Das Ergebnis ihres Tuns ist, dass sie Steuermissbrauch unterstützen. Die Konsequenzen daraus sind jetzt offensichtlich, da ein Staat nach dem anderen mit Defiziten konfrontiert ist. Die Kosten, die daraus entstehen, belasten die Ärmsten in der Gesellschaft. Und ja – das ist auch Schuld der Buchhalter. Das alles gefährdet die Demokratie.
Klar ist jedoch auch: Gäbe es die Steuerschlupflöcher- und Steueroasen nicht, würden sich diese internationalen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien ein anderes Wirkungsfeld suchen müssen.
Die Geldverstecke der Reichen und Mächtigen

Spitzenreiter aktuell (Stand 2022), die USA. Schau dir hier den ganzen Index an.
Selbstverständlich möchte keines dieser Länder als “Steueroase” bezeichnet werden. Sie bezeichnen sich viel lieber als “internationale Finanzzentren“.
Was ist eine Steueroase?
Eine genaue Definition für Steueroasen gibt es nicht. Im besten Falle sind sie mit besonders niedrigen Steuern für Unternehmen positiv konnotiert. Meist jedoch hat der Begriff einen eher negativen Klang und steht auf einer Stufe mit Steuerhinterziehung, Briefkastenfirmen oder sogar Geldwäsche. Viele denken bei einem Steuerparadies direkt an kleine geheime Tropeninseln irgendwo in den Weiten des Pazifiks, auf denen die großen Weltkonzerne ihre Scheinunternehmen aufbauen.
Die Institution Tax Justice Network ermittelt den Financial Secrecy Index, den sogenannten Schattenfinanzindex, und deckt somit auf, in welchen Ländern es besonders einfach ist, Steuern zu umgehen und Gelder geheim zu halten.
Anti-Korruptions-Gipfel
Nicht zuletzt den “Panama-Papieren”, die im April 2016 ans Licht der Öffentlichkeit gelangten, ist es zu verdanken, dass 2016 zum ersten Mal der “Anti Corruption Summit” (Anti-Korruptions Gipfel) in London stattfand. Mit von der Partie waren u. a. der ehemalige Bundesjustizminister Heiko Maas, der ehemalige amerikanische Außenminister John Kerry, die ehemalige Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, und niemand Geringeres als der ehemalige Weltbank-Präsident Jim Yong Kim. Thema des Gipfels war die Frage, wie man den weltweiten Kampf gegen Korruption und Geldwäsche vorantreiben kann. Und zwar gemeinsam und länderübergreifend.
PanamaPapers: Im Schattenreich der Offshorefirmen
Schau Dir hier die Story auf YouTube an.
Viele der sogenannten Steueroasen nehmen einiges auf sich, um an internationalen Anstrengungen mitzuwirken, den Steuerhinterziehungen im gigantischen Ausmaß ein Ende zu setzen; allerdings oftmals nur so weit, dass es ihnen weiterhin den Freiraum lässt, große Mengen an versteckten Steuergeldern zu beherbergen.
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