Eine exklusive neue Recherche vom NDR, WDR und der Süddeutschen Zeitung legt offen, dass sich an mehr als 1.500 Orten in Deutschland das Jahrhundertgift PFAS nachweisen lässt. Die drei Medien haben sich zusammengeschlossen und mehrere Hundert Industriestandorte, Kläranlagen, Deponien, Flughäfen und Militärgelände identifiziert, bei denen ebenfalls die Gefahr besteht, dass Böden und Gewässer verunreinigt sein könnten.
Was sind PFAS
PFAS sind per- und polyfluorierte Alkylverbindungen und bilden eine Gruppe von mehr als 10.000 künstlich hergestellten und in großem Maßstab eingesetzten Chemikalien. Diese Chemikalien reichern sich über die Zeit sowohl im menschlichen Gewebe als auch der Umwelt an. Diesem Umstand verdanken die Chemikalien auch ihre Bezeichnung „langlebige“ oder „persistente“ Chemikalien.
Sowohl in der Umwelt als auch im menschlichen Körper lassen sich die Chemikalien äußert lange nachweisen. Die Folge sind Gesundheitsprobleme wie Leberschäden, Schilddrüsenerkrankungen, Fettleibigkeit, Fruchtbarkeitsstörungen und/ oder Krebs. Über die in Deutschland vorkommende Verschmutzung und die damit einhergehenden Risiken wurde die Bevölkerung in vielen Fällen bisher nicht informiert.
Wo finden PFAS Verwendung?
Zwar haben sich die meisten noch nie mit diesen Chemikalien beschäftigt, dennoch kommen wir tagtäglich mit ihnen in Berührung. Denn die Stoffe kommen fast überall zum Einsatz. So finden wir sie etwa in Regenjacken, beschichteten Pfannen und in dem Papier, in das Burger eingewickelt werden. Auch Löschschäume zur Brandbekämpfung oder die Kühlmittel in Wärmepumpen können PFAS enthalten. Folgend eine Liste mit weiteren Produkten, wo PFAS enthalten sind.
- Textilien wie Jacken und Outdoor-Kleidung.
- Haushaltswaren, wie Backpapier, Kochgeschirr und Pfannen. Auch Verpackung von Fast Food-Gerichten ist davon betroffen. Sie schützen etwa Pizzakartons vor dem Durchweichen. Man findet PFAS auch im Teppichboden.
- Brandbekämpfung. Öko-Test weist darauf hin, dass es wohl keinen Ersatz für die Chemikalien bei Feuerschutzkleidung oder Feuerlöschschaum geben wird.
- Autoindustrie, zum Beispiel in Autositzen.
- Lebensmittel, wie Eier, Fisch, Muscheln, Fleisch und Schlachtnebenerzeugnisse sowie Mikrowellen Popcorn. Weil PFAS über die Natur aufgenommen werden können, sind auch Pflanzen mit den Chemikalien belastet.
- Bauwesen, wie Farbe
- Elektronik, wie Fotografie und Elektronikkabel.
- Kosmetika, wie Wimperntusche, Make-up und Lippenstifte.
- Imprägnierung, Skiwachsen
- Pestizide

17.000 Orte mit relevanter PFAS-Verschmutzung lokalisiert
Das Problem ist viel größer als bisher bekannt. Reporterinnen und Reporter von 18 europäischen Medien haben im „Forever Pollution Project“ über 100 Datensätze aus ganz Europa miteinander verbunden und somit europaweit mehr als 17.000 Orte mit relevanter PFAS-Verschmutzung lokalisiert. Darunter wurden sogar mehr als 2.000 Orte als Hotspots mit erheblichen Gefahren für die menschliche Gesundheit markiert. Mehr als 300 dieser Hotspots befinden sich der Recherche zufolge in Deutschland.
Die Dunkelziffer dürfte laut der Reporter und Reporterinnen noch deutlich höher liegen, denn die Behörden testen bislang nicht systematisch auf eine Verschmutzung mit PFAS.
Die European Environment Agency schreibt auf ihrer Webseite dazu Folgendes:
„Aufgrund der großen Vielfalt von Chemikalien und ihrer unterschiedlichen Verwendungen ist es derzeit nicht möglich, für alle in Europa verwendeten chemischen Stoffe eine eingehende Umwelt- und Gesundheitsrisikobewertung durchzuführen. Neue und veraltete Chemikalien werden weiterhin in die Umwelt Europas freigesetzt, was die chemische Gesamtbelastung für die Bürger und Ökosysteme Europas erhöht. Die Früherkennung neu auftretender Risiken ist eine der Aktivitäten der Europäischen Umweltagentur (EUA). Dieses Briefing fasst die bekannten und potenziellen Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt in Europa zusammen, die von einer Gruppe sehr persistenter Chemikalien, den per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS), ausgehen“.
In Deutschland gibt es der Recherche zufolge außerdem sechs Fabriken, die PFAS produzieren – des Berichtes zufolge sind das mehr als in jedem anderen Land in Europa. Zu finden sind diese Fabriken etwa in Bad Wimpfen (Solvay), in Frankfurt (Daikin), in Leverkusen (Lanxess) und im bayerischen Chemiepark Gendorf bei Burgkirchen an der Alz, wo sich gleich drei PFAS-Produzenten niedergelassen haben (3M, W.L. Gore und Archroma).

Die gefährlichen Stoffe müssen verboten werden
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte im Interview, dass die Stoffe umgehend geprüft und gegebenenfalls verboten werden müssen.
„Weil wir uns nicht leisten können, sie weiter in diesem Umfang in die Umwelt zu entlassen – mit teilweise unbekannten Folgen, aber der Sicherheit, dass sie uns Jahrzehnte oder Jahrhunderte begleiten werden.“
Und siehe da, bereits vor gut zwei Wochen (Stand 23.02.2023) hat die zuständige EU-Behörde ECHA einen Vorschlag von fünf Ländern, darunter war auch Deutschland, eingereicht. Dieser verlangt, die Stoffgruppe der PFAS überwiegend zu verbieten, denn bisher sind es gerade einmal zwei Stoffe der Gruppe, die verboten sind – PFOS und PFOA. Die Forderung der Länder beinhaltet außerdem, dass die über 10.000 Stoffe mit einer Übergangsfrist von nur wenigen Jahren nicht mehr verwendet werden dürfen.
Die Industrie hingegen protestiert gegen die Forderungen. So haben sich rund 100 Lobby-Verbände und Firmen zusammengetan, um auf die zuständige EU Behörde ECHA einzuwirken. Darunter auch deutsche Großkonzerne wie (wer hätte es gedacht) Bayer und BASF. Ein Argument der Industrie ist, dass längst nicht alle PFAS toxisch seien.
Die Industrieexpertin Merz macht folgenden Gegenvorschlag:
“Als Kompromissvorschlag könnte diskutiert werden, kleinere Stoffgruppen von PFAS zu bilden und deren Toxizität aufgrund eines typischen Vertreters zu testen. Auf dieser Grundlage könnte dann diese Untergruppe reguliert werden – oder auch nicht.”
So kannst Du Dich schützen
Vermeiden lässt sich die Aufnahme der Stoffe leider nicht ganz einfach, solange sie noch in Umlauf sind. Eine Studie [1] etwa hat herausgefunden, dass sich die Chemikalien sogar im Hausstaub befinden. Um zu vermeiden, dass mehr Giftstoffe dazukommen, solltest Du Dir die Firmen merken, die PFAS herstellen und welche Firmen sie beliefern.
Kaufe keine neuen Produkte mehr, welche diese Stoffe enthalten und entsorge vielleicht sogar die alten. Ansonsten können wir nur darauf hoffen, dass das Verbot der Stoffe bald kommt.