Wenn das Leben plötzlich an einem vorbeizieht und wir Bilder sehen, die wir nicht erklären können. Das Licht am Ende des Tunnels, Visionen oder den eigenen sterbenden Körper aus der Vogelperspektive. Dann spricht die Nahtodforschung von einem Nahtoderlebnis. Der Psychiater Michael Schröter-Kunhardt, Vorsitzender der deutschen Sektion der “International Association for Near-Death Studies” glaubt, dass das Zulassen des eigenen Sterbens – das „innere Ergeben“ die Nahtoderfahrung auslöst.
Die Vogelperspektive und 61 %, die sie erlebt haben
Die Nahtodforschung ist ein Fass ohne Boden, sie ist kaum greifbar und nur schwer zu erklären. So gibt es zahlreiche Wissenschaftler, die Nahtoderlebnisse als etwas Neurologisches bezeichnen, während andere darüber rätseln, warum Betroffene meist das Gleiche erleben und sehen. Dazu zählen das Verlassen des eigenen Körpers, das helle Licht am Ende des Tunnels oder Szenen aus dem eigenen Leben und spirituelle Erscheinungen. Michael Schröter-Kunhardt hat mehr als 230 Nahtoderfahrene zu ihren Erlebnissen befragt und berichtete über diese Studie anschließend im Ärzteblatt. Laut seiner Studie berichten etwa 61 % der Betroffenen davon, ihren Körper verlassen und sich selbst aus der Vogelperspektive beobachtet zu haben.
Betroffene erzählten davon, dass sie einem Gefühl von Schwerelosigkeit ausgesetzt waren. Sie konnten schweben, fühlten sich leicht und glücklich.
“Ich habe meinen Versuch, Wissenschaft und Religion zu verbinden, langsam entwickelt. Diese Verbindung lässt sich sehr gut über Nahtod-Erlebnisse herstellen.”
So Michael Schröter-Kunhardt.
Gibt es in der Nahtodforschung eine plausible Erklärung für das Phänomen?
Wir wissen, wenn es um die Erklärung von Nahtoderfahrungen geht, scheiden sich die wissenschaftlichen Geister. Neurochirurgen von der Universität Tartu in Estland wollen nun aber eine Erklärung für das auftretende Phänomen gefunden haben. Auch sie berichten darüber im deutschen Ärzteblatt.
Demzufolge kam es bei einem 87-jährigen sterbenden Patienten kurz vor dem Tod für etwa 30 Sekunden zu einem starken Anstieg von Gamma-Wellen, während die Aktivität der langsameren Theta-Wellen abnahm. Für den estnischen Neurochirurgen Raul Vicente von der Uni Tartu sei dieser „Wellenwechsel“ bei einer vermehrten kognitive Aktivität typisch. Ähnliche Zustände lassen sich auch bei Menschen beobachten, die träumen, meditieren oder anderweitig stark konzentriert sind. Auch, wenn das Gehirn Erinnerungen abruft, oder traumatisierte Menschen unter Flashbacks leiden, lässt sich der „Wellenwechsel“ beobachten.
Mir stellt sich jedoch nach wie vor die Frage, wie es sein kann, dass Menschen ihren Körper verlassen und sich selbst dabei beobachten können, wie sie etwa wiederbelebt werden. Da fällt mir der besondere Fall einer Frau ein, die ebenfalls ihren Körper verließ und genau beobachten konnte, was die Ärzte taten. Nachdem sie wieder aufgewacht war, berichtete sie den Ärzten von ihrem Erlebnis und konnte außerdem genau erläutern, welche Instrumente diese verwendeten, um Ihr Leben zu retten.
Die Wiese am Ende des Tunnels
All diese Erlebnisse sind für Betroffene einschneidend. Das Leben verändert sich häufig für immer.
„Mein Zustand verschlechterte sich derart, dass man mich aufgegeben hatte und ich durch den Chefarzt für tot erklärt wurde . . . Da man mich mit einem Tuch abgedeckt hatte, stellte die Krankenpflegeschülerin fest, dass sich dieses im Bereich meiner Nase bewegte. Hierauf erfolgte eine Reanimation. Während dieser Phase hatte ich das, was man als NDE bezeichnet: Ich befand mich auf einer Ebene, die wie eine Bühne aussah. In der hinteren rechten Ecke öffnete sich ein Tunnel oder eine Röhre, aus welcher ein Licht in einer Dimension erstrahlte, wie man es nur schlecht beschreiben kann. Ich bewegte mich tiefer in diesen Tunnel . . .
Am Ende des Tunnels kam ich wie auf eine Wiese, wobei ich ein Farbenspiel erlebte, wie man es nicht beschreiben kann. Pastelltöne von einer Zartheit, dass man sich daran nicht hätte satt sehen können. Wie aus einem Bodennebel erschienen mir drei Personen, von denen ich die beiden vorderen als meine Großeltern erkannte. Meine Großmutter hob beide Arme in Brusthöhe und streckte mir die Handflächen entgegen, wie in einer Abwehrbewegung. Von da an begann das Bild, sich von mir wegzubewegen. Ich sah wieder den Tunnel mit dem hellen Licht und dann verschwand alles.“
So beschreibt ein 44-jähriger technischer Angestellter seine Erfahrung während einer Reanimation nach einem Herzinfarkt.
Nahtodforschung: Träumen ist nicht dasselbe!
Michael Schröter-Kunhardt beschreibt diese Erfahrung in der Nahtodforschung als typische Nahtoderfahrung, wie sie einer repräsentativen Befragung nach knapp fünf Prozent aller Menschen erlebt haben. Schröter-Kunhardt ist Vorsitzender der deutschen Sektion der „International Association for Near-Death Studies“ und hat mehr als 230 Fälle von NDEs gesammelt und ausgewertet.
Schröter-Kunhardt hat seine Sammlung von Berichten darauf untersucht, was die Betroffenen am häufigsten vermisst haben: 89 Prozent etwa, berichten von einem „Gefühl der Ruhe, des Friedens oder des Wohlbefindens“, 77 Prozent erzählen vom allgemein bekannten „hellen Licht“. Das Gefühl, seinen Körper von außen zu beobachten – zum Beispiel von oben, erfuhren 61 Prozent während ihrer Nahtoderfahrung. Vom Tunnelphänomen berichteten 47 Prozent der Patienten und 30 Prozent sahen Ereignisse ihrer Vergangenheit, wie einen Film vor sich ablaufen. Selten erlebten die Betroffenen nach der außerkörperlichen Erfahrung Paniksituationen beim Eintritt in eine „höllische Umgebung“ mit bedrohlichen Kräften, Farben und Tönen.
Diese Erfahrungen seien laut des Forschers nicht zu verwechseln mit Träumen.
„Ärzte sollten das Erlebte nicht als Halluzination abtun“
Der Auffassung Schröter-Kunhardts nach, grenzen sich Nahtoderfahrung primär durch ihre Universalität von typischen Halluzinationen ab. So sind Halluzinationen immer individuell. Ärzte erklären die Erlebnisse auch gerne mit einer zerebrale Hypoxie. Aber auch hier widerspricht der Psychiater und Nahtodforscher. Denn zu den Hypoxie- beziehungsweise Hyperkapnie-Symptomen zählen unter anderem Konzentrations-, Entscheidungs- und Gedächtnisstörungen sowie Illusionen, individuelle Halluzinationen und nur selten Nahtod-Elemente.
Des Weiteren treten Nahtoderfahrungen auch des Öfteren bei normaler Sauerstoff- und Kohlendioxid-Konzentration auf. Eine Hypoxie/Hyperkapnie kommt hier also nicht als Ursache in Betracht. Schröter-Kunhardt weist allerdings darauf hin, dass körpereigene Halluzinogene, wie Dimethyltryptamin oder Andandamide, durchaus eine Rolle bei der Erzeugung von Bildern während der Nahtoderfahrung spielen. Verschiedene Untersuchen haben etwa ergeben, dass bei bis zu 80 Prozent der Probanden durch Halluzinogene I. Ordnung wie LSD, Cannabis und Ketamin Nahtod-Elemente ausgelöst werden.
Schröter ist überzeugt:
„NDEs sind neben der Unfall- beziehungsweise Krankheitserfahrung ein besonderes Erlebnis für die Patienten.“
Das Problem, viele Menschen sprechen nicht über das Erfahrene, weil sie fürchten, nicht ernst genommen zu werden. Ärzte sollten daher von sich aus potenzielle Patienten befragen, ob sie derartige Erfahrungen gemacht haben. Das erfahrene sollte nicht vorschnell als Halluzination abgetan werden, sondern ausführlich besprochen werden. Michael Schröter-Kunhardt ist überzeugt davon, dass die resultierenden Weltbildveränderungen die Selbstwahrnehmung und die sozialen Bezüge der Betroffenen nachhaltig verändern können, wenn das Erlebte nicht aufgearbeitet wird.
Liebe Schriftfee Ramona
Danke für die spannenden Inhalte🙏🏻😊
Herzliche Grüsse
Brigitta
Booo! Bin mit so vielen interessanten Themen schon lange nicht in Berührung gekommen. Ich will das alles wissen.
Liebe Grüße- Barbara
Wie muss ich das verstehen? Wieviele Seelen sind denn dann unterwegs, wenn sich die Weltbevölkerung ständig vervielfacht? … und natürlich auch viel mehr Menschen sterben.