1994 gelang James Redfield ein unglaublicher Erfolg mit seinem Buch „Die Prophezeiungen von Celestine“, das mittlerweile auch verfilmt wurde. Hier ein Interview mit dem berühmten Autor – und seiner Frau Sally – über sein Bahn brechende Buch und die Folgen.
James Redfield wurde durch sein erstes Buch „Die Prophezeiungen der Celestine“ schlagartig weltberühmt und veröffentlichte weitere Bücher zum Thema. Als Autor wie auch als Herausgeber der Monatszeitschrift „The Celestine Journal“ ist Redfield weiter an der Formung einer neuen spirituellen Kultur beteiligt. Er engagiert sich für den Schutz des amerikanischen Waldes und arbeitet mit Marianne Williamson und Neale Donald Walsch zusammen in der Global Renaissance Alliance (GRA). Grundprinzipien der Arbeit der GRA sind, die Menschen zu mehr Gewaltlosigkeit zu ermuntern und mehr spirituelle Werte in politische Systeme einfließen zu lassen. Im März 2004 wurde Redfield durch die Wisdom Media Group mit dem World View Award für seine Beharrlichkeit in der Aufrechterhaltung der Diskussion über die „Natur der menschlichen Existenz“ mit dem Effekt der „Verbesserung der Menschlichkeit“ geehrt.
Lieber James Redfield, was motivierte Sie, Die Prophezeiungen von Celestine zu schreiben, ein Buch, das zum Weltbestseller wurde?
Das Buch ist eigentlich eine Zusammenfassung von 15 Jahren meiner spirituellen Suche. Ich wollte ein übersichtliches Bild jenes neuen Bewusstseins geben, das in verschiedenen Ansätzen wie der modernen Physik, der Human-Growth-Bewegung oder auch bei den traditionellen Mystikern zum Ausdruck kommt. Ich wollte diese einzelnen Richtungen, die ich erforscht habe, ganzheitlich zusammenbringen. Das Buch ist eine Parabel, eine Reise, eine Geschichte über das Verstehen dieser Einsichten.
Beim Lesen kann man leicht vergessen, dass es sich um eine Story handelt, es klingt oft sehr wirklich.
Das ist gut. Die Einsichten oder Informationen darin sind ja real. Es sind nicht meine Einsichten, sondern unsere. Sie erreichen heute viele Menschen gleichzeitig. Ich habe diese Einsichten nur in Worte gekleidet, und es gibt ja viele Bücher im selben Geist. Das macht es leichter, die Einsichten zu leben und von der alten materialistischen Weltsicht in eine neue spirituelle überzugehen.
Besonders wichtig an Ihrem Buch scheint mir die starke Betonung eines Punktes zu sein, der leicht und gerne übersehen wird: dass nämlich die Einsichten nur dann wirken, wenn man sie selbst unmittelbar erfährt beziehungsweise realisiert. Haben Sie selbst auch die beschriebenen Einsichten verwirklicht?
Ja, bis zu einem gewissen Grad. So spielt die Wahrnehmung mysteriöser Ereignisse in meinem Leben eine zentrale Rolle – geheimnisvolle Gelegenheiten, die sich anbieten. Das Buch selbst ist ein Beispiel dafür. Aber wir müssen die Kontrolle aufgeben, zurücktreten und nach Führung Ausschau halten, anstatt die Dinge persönlich vorantreiben zu wollen. Um den Vorteil der vielen sich anbietenden Gelegenheiten zu nutzen, müssen wir also Intuition ebenso wie Willenskraft einsetzen. Während ich zunächst mit meinem ersten Buch gegen Mauern anrannte, öffneten sich plötzlich Türen, als ich meine Einstellung änderte. Aber es ist richtig: Solange man keine eigenen Erfahrungen macht, sind die Beschreibungen nur Worte.
In den „Prophezeiungen“ erscheint die Reihenfolge der Einsichten fast zwangsläufig – aber ist sie das wirklich? Könnte zum Beispiel die sechste Einsicht, wo es um die Klärung der eigenen Vergangenheit geht, nicht auch am Anfang stehen? So wie ja auch viele Menschen mit einer therapeutischen Aufarbeitung ihrer Vergangenheit beginnen, bevor sie mystische Erfahrungen machen?
Ich denke, die Struktur der spirituellen Suche oder Reise hat etwas Archetypisches. Auch wenn die Sequenz und Gewichtung der Abschnitte für den Einzelnen verschieden sein mögen, so werden doch alle Phasen früher oder später durchlaufen – nicht gradlinig wie auf einer Strecke, sondern spiralförmig. Eine bestimmte Erkenntnis, die mit der Klärung der Vergangenheit zu tun hat, kann eine völlig neue Bedeutung erhalten, wenn das mysteriöse Zusammenwirken von Ereignissen (im Buch die erste Einsicht) wahrgenommen wird. Die Erkenntnisse hängen zusammen und erscheinen, je nach Entwicklung, in jeweils neuem Licht.
Eine zentrale Sequenz in den „Prophezeiungen“ betrifft die Wahrnehmung von Energien und den richtigen Umgang mit ihnen. Zunächst lernt der Erzähler, Energien oder die Aura von Pflanzen zu sehen. Dann bemerkt er bei Menschen, die sich streiten, eine Interaktion von Energiefeldern – der Kampf um die Macht erweist sich als ein Ringen um Vital-Energie, und schließlich erfährt er in der fünften Realisation beziehungsweise Prophezeiung, dass die eigentliche Quelle der Energie in ihm selbst zu finden ist. Ihre Sichtweise und Darstellung scheint mir gerade in diesem recht weiten Feld der Energiekonzepte einmalig. Ist das Ihr ganz eigener Ansatz?
Ja, das ist vermutlich der originelle Teil des Buches. Die dort dargestellte Verbindung des asiatischen Konzepts der Chi-Energie mit der interaktiven Psychologie habe ich so bisher nirgendwo gefunden.
Was sehen Sie als Ihre Aufgabe – auf dem Hintergrund der sechsten Einsicht, wo Ihnen der Einfluss Ihres lebensbejahenden Vaters und Ihrer frommen Mutter bewusst wurde?
Meine Mission ist, Spiritualität so zu vermitteln, dass sie Spaß macht. Eine ganzheitliche Sicht zu bieten, als ein Abenteuer dargestellt mit den Mitteln des Journalismus.
Die Rahmenhandlung Ihrer Geschichte ist ja recht dramatisch. Staat und Kirche wollen die Veröffentlichung des Manuskripts mit allen Mitteln verhindern. Menschen werden dabei umgebracht. Das erscheint etwas übertrieben angesichts der Tatsache, dass esoterisches Wissen in unserer Zeit ohne jede Gefahr in jeder beliebigen Menge zu haben ist. Wollten Sie die Story einfach nur spannend machen?
Wie gesagt, die Geschichte ist eine Parabel. Tatsache ist, dass man – zumindest in Nordamerika – mit esoterischen Gedanken immer noch überall und stets auf hartnäckigen Skeptizismus trifft. Dieser Skeptizismus und das religiöse Dogma allgemein sollen in der Geschichte illustriert werden; aber auch die Notwendigkeit, Mut zu haben, denn diese Erkenntnis zu leben erfordert sicher Mut. Du musst den Weg der Masse verlassen und allein stehen. Was auch im Buch gezeigt wird ist der Kampf zwischen fortschrittlichen und konservativen Kräften, der sich durch alle Bereiche zieht. Wir finden diese Auseinandersetzung in der Wissenschaft, in der Kirche, in allen Berufen.
Nun eine Frage, die ich Ihnen und Ihrer Frau Sally stellen möchte: Was bedeutet für Sie Liebe?
James Redfield: Heutzutage wird Liebe vor allem psychologisch begriffen. Die Schlüsselfrage lautet: Warum endet sie? Da hat man eine großartige Beziehung angefangen, und allmählich sinkt sie nicht nur auf ein niedrigeres Energieniveau, sondern sie wird zu einem Machtkampf. Zunächst einmal geht es darum, den richtigen Partner zu finden. Dazu muss man warten können und nicht gleich den ersten besten nehmen, der eine Beziehung möchte. Es funktioniert auch nicht, nach einem Partner zu suchen. Der Partner für die wahre Liebe kommt, wenn du wirklich offen bist und lange genug aushältst. Auf mysteriöse Weise bringt das Leben die beiden Liebenden zusammen. So war es jedenfalls bei uns.
Sally Redfield: Wir arbeiten zwar noch an bestimmten Problemen, aber im Wesentlichen konzentrieren wir uns darauf, uns selbst zuerst zu lieben. Wenn Missverständnisse aufkommen, sucht jeder bei sich selbst nach Unklarheiten.
James Redfield: Es ist also kein Kampf, wo der eine den anderen verändern will, das funktioniert natürlich nicht. Sicher gibt es Unterschiede im Lebensstil. Ich möchte bestimmte Dinge tun, und sie ist stärker an anderen Dingen interessiert. Da müssen Kompromisse geschlossen werden. Wahre Erfüllung in einer Liebesbeziehung ist nur dann möglich, wenn das Grundbedürfnis nach Liebe bereits aus dem Inneren gestillt ist. Das ist der Unterschied zwischen „sich ver-lieben“ und einer reifen, spirituellen Liebesbeziehung.
Kehren wir zurück zur Botschaft von Celestine. Worin sehen Sie den eigentlichen Wandel im Bewusstsein der Menschen?
Das Erwachen, das ich in den Celestine-Geschichten beschrieb, hat sich im Bewusstsein ausgeweitet: Vom Stammes- und Nationalempfinden zu einer planetarischen und kosmischen Perspektive. Wir haben uns befreit von einer Weltanschauung, die Jahrhunderte lang das Mysterium aus unserem Leben verbannte. Wir fühlen, dass irgendetwas stets in unserem Leben fehlt. Die Menschen schütteln gerade die Illusion ab, dass wir in einem toten Universum leben, das nur materiell ist. Wir öffnen uns für die unmittelbare Einsicht, dass es eine göttliche Präsenz hinter unserer Existenz gibt, eine Göttlichkeit, die in unserem täglichen Leben wirkt. Das geschieht durch mysteriöse und mystische Einsichten, die gleichsam aufeinander aufbauen.
Die erste Einsicht der „Prophezeiungen“ ist in diesem Prozess des Erwachens besonders wichtig: Wir nehmen zunehmend bedeutsame Zusammenhänge in unserem Leben wahr, die nicht kausal oder logisch sind. Der Schweizer Tiefenpsychologe Carl Gustav Jung nannte das Synchronizität. Wenn uns so etwas widerfährt, erleben wir eine Art heiligen Schauer, das Gefühl, Teil eines höheren Plans oder einer göttlichen Fügung zu sein. Alle anderen Prophezeiungen bauen letztlich auf diesem Phänomen der Synchronizität auf.
Können Sie noch kurz auf die Erkenntnisse beziehungsweise Prophezeiungen eingehen, die Sie in Ihren weiteren Büchern dargestellt haben?
Die Zehnte Erkenntnis bedeutet: Die Menschheit hat in ihrer gesamten Geschichte unbewusst darum gekämpft, diese lebendige Spiritualität auf unsere Erde zu bringen. Nun verstehen wir, welchen Sinn unser Leben eigentlich hat, nämlich dass wir alle zusammenwirken, um eine neue spirituelle Lebenskultur zu erschaffen. Dazu brauchen wir eine starke Ausrichtung und tägliches Gebet.
In der Elften Einsicht, der das Shambala-Buch gewidmet ist, geht es um eine wirksame Methode, die Vision zu stärken. In den spirituellen Traditionen gibt es immer wieder Hinweise auf verborgene Kräfte unseres Geistes, Zukünftiges zu beeinflussen. Wir bringen diese Kräfte nun ins öffentliche Bewusstsein. Die Kraft des Gebets offenbart sich als ein Feld der Absicht, das sich von uns selbst als dem Zentrum ausbreitet und sich verstärkt, wenn wir uns mit anderen verbinden.
Ihr aktuelles Buch betrifft die 12. Prophezeiung. Können Sie uns etwas dazu verraten?
Ich möchte zunächst klarstellen, dass ich hier nichts erfinde. Dies ist nicht James Redfields Theorie über ein glückliches Leben. Ich versuche Schritte im Prozess eines Erwachens zu beschreiben, der bereits überall dort draußen stattfindet. Mir scheint, die 12. Prophezeiung oder Einsicht steigt nun gleichsam in die Welt herab. Sie hat mit den Schlüsseln zu tun, die uns mit einer tiefen Spiritualität verbinden und unser Leben fließen lassen. Wir lernen gerade zu verstehen, was uns letztlich daran hindert, frei mit dem Leben zu fließen. Besonders destruktiv ist die Opferrolle. Die Schlüssel zum Erwachen müssen wirklich benutzt werden. Das Schwierigste für uns Westler ist eben, spirituelle Konzepte auch in die Praxis umzusetzen und im Alltag zu leben. Das Erkennen der Synchronizität zum Beispiel muss immer wieder neu geübt werden. Wir wollen es schließlich auch unseren Kindern beibringen, damit diese Welt eine bessere wird.
Einführung und Interview: Christian Salvesen
Die zwölfte Prophezeiung von Celestine
ISBN 9783793422051
Redfield, James
Verlag Allegria