Insekten sind in aller Munde – buchstäblich. Denn seit 26.01.2023 gibt es in Europa ein Gesetz, welches der Lebensmittelindustrie erlaubt, Insekten in den verschiedensten Formen in unseren Lebensmitteln zu verarbeiten. In unserem Allversum Magazin hatten wir bereits früher darüber geschrieben, welch ein Potenzial sich hinter dem Verzehr von Insekten verbirgt. „Geschmäcker sind verschieden und zum Glück für einige werden wir wahrscheinlich nie alle nur noch Insekten essen müssen.“ Lautet ein Satz in unserem Artikel von damals. Nun, was soll man dazu sagen …, so schnell kann es gehen. Ein Grund zur Freude? Eher weniger … Warum? Das erfährst Du in folgendem Artikel.
Das Gesetz und was es beinhaltet – die Fakten
Seit Anfang des Jahres 2023 sind in der Europäischen Union vier Insekten als Lebensmittel zugelassen. Für jedes neue Insekt, welches ein Produzent auf den Markt bringen möchte, muss dieser eine neue Zulassung im Rahmen der Regeln zu „neuartigen Lebensmitteln“ beantragen.
„Neuartige Lebensmittel“ sind solche, die innerhalb der EU vor Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang konsumiert wurden. Beantragt ein Produzent eine Zulassung für ein neuartiges Lebensmittel, wird dieser Antrag im Rahmen der Prüfung einer wissenschaftlichen Bewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) unterzogen.
Die EU-Staaten selbst erhalten ebenfalls einen Kommissionsvorschlag zur Zulassung des neuen Lebensmittels zur Abstimmung. Vorher kann die Kommission keine Zulassung beschließen.
Welche Insekten sind derzeit zugelassen?
Die Europäische Kommission hat bisher vier Insekten in unterschiedlichster Darreichungsform als Lebensmittel zugelassen. Hierzu gehören:
- Juni 2021: Mehlkäfer (Tenebrio molitor), im Larvenstadium getrocknet.
Kennzeichnung: „Getrocknete Larven von Tenebrio molitor (Mehlkäfer)“
Durchführungsverordnung: siehe Quellenangabe [1]
- November 2021: Wanderheuschrecke (Locusta migratoria), gefroren/getrocknet/pulverförmig.
Kennzeichnung je nach verwendeter Form: „gefrorene Locusta migratoria (Wanderheuschrecke)“, „getrocknete/pulverförmige Locusta migratoria (Wanderheuschrecke)“, und/oder „Pulver von ganzen Locusta migratoria (Wanderheuschrecke)“
Durchführungsverordnung: siehe Quellenangabe [2] - Februar 2022: Hausgrille (Acheta domesticus), gefroren/getrocknet/pulverförmig.
Kennzeichnung je nach verwendeter Form: „Acheta domesticus (Hausgrille, Heimchen), gefroren“ und/oder „Acheta domesticus (Hausgrille, Heimchen), getrocknet/pulverförmig“.
Durchführungsverordnung: siehe Quellenangabe [3] - Januar 2023: Hausgrille (Acheta domesticus), teilweise entfettetes Pulver.
Kennzeichnung: „Teilweise entfettetes Pulver aus Acheta domesticus (Hausgrille)“.
Durchführungsverordnung: siehe Quellenangabe [4] - Januar 2023: Getreideschimmelkäfer oder Buffalowurm (Alphitobius diaperinus), gefroren/pastenartig/getrocknet/pulverisiert.
Kennzeichnung: „Gefrorene Larven/Paste aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)“ oder „Getrocknete Larven/Pulver aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)“. Außerdem muss gekennzeichnet sein, dass solche Nahrungsergänzungsmittel nicht von Personen unter 18 Jahren verzehrt werden sollten.
Lebensmittel, die den Getreideschimmelkäfer enthalten, müssen darüber hinaus mit einem Hinweis versehen sein, dass diese Zutat bei Verbrauchern, die bekanntermaßen gegen Krebstiere und Erzeugnisse daraus sowie gegen Hausstaubmilben allergisch sind, allergische Reaktionen auslösen kann.
Durchführungsverordnung: siehe Quellenangabe [5]
Hier findest Du außerdem eine ausführliche Liste von Insekten, die bereits seit längerer Zeit in unseren Lebensmitteln verarbeitet sind.
Wir essen schon lange Insekten oder deren Ausscheidungen …
Seit diese vier Insektenarten in Europa als Lebensmittel neu zugelassen wurden, ist der Aufschrei groß, dabei sind Insekten in Lebensmitteln keineswegs neu. So stecken etwa gemahlene Läuse oder Ausscheidungen von Insekten bereits seit einigen Jahren in vielen unserer Nahrungsmittel. Eine Übersicht:
- “Echtes Karmin” oder E120
Dieser Zusatz ist ein Lebensmittelfarbstoff, welcher etwa in Milchprodukten oder Süßigkeiten zum Einsatz kommt. Gewonnen wird der Farbstoff aus Läusen – genauer gesagt aus der Cochenilleschildlaus, die auf einer vorwiegend in Süd- und Mittelamerika vorkommenden Kaktusart lebt. - Blattlaus-Ausscheidungen im Honig (Honigtau)
Läuse sind aber nicht nur für Farbstoffe in bestimmten Lebensmitteln verantwortlich. Sie bzw. ihre Ausscheidungen landen außerdem in unserem Tee oder dem Butterbrot. Sofern Du ein Enthusiast von Waldhonig bist. Denn für diese Honigsorte sammeln Bienen neben Nektar aus Blüten auch Honigtau – zuckerhaltige Ausscheidungen der Blattläuse, die auf den Blättern der Pflanzen sitzen. - Schellack (E 904)
Viele Frauen kenn Schellack von ihren Fingernägeln in Verbindung mit lichthärtenden Lacken. Aber auch der knusprige Part vom Kaugummi, Schokolinsen oder Medikamentenkapseln besteht aus dieser Art Harz. Gewonnen wird der Zusatzstoff ebenfalls von einer Laus – dem Schildlaus-Weibchen. Sie scheidet dieses Produkt aus, um ihre abgelegten Eier zu schützen. Die Blätter werden mit dem Ausscheidungsprodukt überzogen, bis die Eier schlüpfen. Diese mit Schellack überzogenen Blätter werden dann geerntet. - Bienenwachs (E 901)
Kennt jeder, aber auch das wird direkt von lebenden Insekten erzeugt und gewonnen – nämlich von Honigbienen. Es steht als „Trennmittel/ Überzugsmittel: E 901“ oder „Trennmittel/ Überzugsmittel: Bienenwachs“ in der Zutatenliste.
Greenwashing – Problem, Massenkonsum
So, genug der Aufklärung kommen wir zum eigentlichen Problem mit den Insekten. Denn das Problem ist nicht der Konsum von Insekten an sich. Das Problem liegt in der Herstellungsmenge der Krabbler. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss, Martin Häusling, freute sich kürzlich, er sehe primär für die Futtermittelproduktion „großes Potenzial“. Häusling schwärmte förmlich von den Inhaltsstoffen der Krabbeltiere und tat so, als hätten wir gerade ein unerschöpfliches Vorkommen eines kostbaren Rohstoffs entdeckt.
Dazukommt, dass der Konsum von Insekten auch noch das Imageproblem unseres Tierkonsums aufhübschen könnte. Jackpot! Mit Grillen und Mehlwürmern gegen Überfischung und Regenwald-Vernichtung. Das ist das Narrativ der Unternehmen, die jetzt Morgenluft wittern. Leider ist es falsch.
Peter Carstens Journalist und Buchautor (“Klimafreundlich leben”, “Das Klimaparadox”) spricht im GEO Magazin von „Greenwashing“ und warnt davor, Massentierproduktion mit Massentierproduktion stützen zu wollen. Die Probleme der millionenfachen Ausbeutung von Wirbeltieren ist so nur auf eine weitere Tiergruppe ausgedehnt.
„Jede Art der Massenzucht endet darin, dass Medikamente und Gifte eingesetzt werden“
Der Kriminalbiologe und Insekten-Experte Mark Benecke sagt im Utopia-Interview,
„Jede Art der Massenzucht endet darin, dass Medikamente und Gifte gegen Keime und Krabbler eingesetzt werden müssen. Außer vielleicht bei Larven der Schmeißfliege. Die Folge: Die Umwelt drumherum stirbt ab“.
Der Kreislauf des Lebens besteht aus einem Netz, bei dem alle Knoten miteinander verbunden sind. Alles, was wir aus diesem Netz entnehmen, vereinsamt biologisch und geht ohne künstliche Eingriffe ein. Züchten wir nur eine einzelne Insektenart, werden diese laut dem Experten rasant schnell krank, da sich Erreger wie Käfer in einer Wald-Monokultur sofort ausbreiten. Um die entstehenden Krankheiten zu eliminieren, braucht es folglich Gifte, und diese sind wieder industriell hergestellt.
Das Halten und züchten von Tieren auf engstem Raum birgt immer Krankheitsrisiken. Davor sind auch Insekten nicht gefeit. Die massenhafte Zucht von Insekten birgt laut PETA,
„in jedem Fall ein Zoonose- und damit Pandemierisiko, nicht zuletzt, da Insekten als sogenannte Vektoren fungieren – sprich lebende Organismen, die Krankheitserreger auf andere Tiere und den Menschen übertragen können“.
Insekten sind nicht vegan!
Im Netz kursieren außerdem Gerücht, dass Insekten nun verarbeitet sind, damit Veganer ihre tierischen Eiweiße erhalten. So twittert der bayrische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger etwa:
#WirHabenEsSatt dass Fleischverzehr von Rind/Schwein/Geflügel kritisiert wird, aber Insekten ins Essen sollen. Früher wurde ein Lebensmittelbetrieb bei Mehlwürmern und Schaben geschlossen, heute soll es „in“ sein, damit Veganer ihr tierisches Eiweiß bekommen. #GenussStattEkel
Das ist natürlich völliger Quatsch … Insekten sind weder vegetarisch und natürlich, erst recht nicht vegan. Denn am Ende sind auch Insekten ein getötetes Tier ist, welches irgendeinem Produkt beigemischt ist.
Auch das Gerücht, dass Insekten als Inhaltsstoff ohne Kennzeichnung in veganem Fleischersatz verarbeitet sind, hält sich hartnäckig. Aber auch das ist schlicht eine Falschmeldung. Insektenmehl ist auch künftig nicht vegan. Und darf auch künftig nicht in veganen Lebensmitteln vorkommen. Und am allerwenigsten auch noch ohne Kennzeichnung. Grund für diese Aufregung könnte allerdings nicht zuletzt die Formulierung in der EU-Verordnung sein, dass Grillenmehl auch in Fleischanalogen verwendet werden darf.
Dennoch ist nach wie vor klar, dass Insekten Tiere sind. Und um das vegane Siegel tragen zu dürfen, dürfen Insekten nicht in veganen Produkten verarbeitet sein.