Eine Neuregelung erlaubt Ärzten unter bestimmten Umständen, Cannabisblüten und -extrakte zu verschreiben. Der Bundestag verabschiedete 2017 einstimmig eine Gesetzesnovelle. Gesundheitsminister Gröhe will Cannabis als Medizin auf Kassenrezept für Schmerzpatienten in Deutschland zulassen. Dieses kann nun als Alternativmedizin von mehr Menschen als bisher verwendet werden. Für wen genau gilt diese neue Gesetzesänderung?
Etwa 800.000 Patienten sollen künftig auf Kosten der Krankenkasse von Cannabis profitieren – doch wie genau soll das funktionieren?
Die Neuerung sei für viele Betroffene eine Entlastung, erklärte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU).
“Wem Cannabis wirklich hilft, der soll Cannabis nun auch bekommen können, in qualitätsgesicherter Form und mit einer Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen.”
Demnach können schwer kranke Patienten künftig Cannabisarzneimittel auf Rezept in der Apotheke erhalten. Die Kosten übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung. Cannabis kommt bisher nur mit einer Ausnahmegenehmigung als Heilmittel zum Einsatz. Eine Ausnahmeerlaubnis ist durch das neue Gesetz nicht mehr nötig: Künftig können Patienten getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte in kontrollierter Qualität auf ärztliche Verschreibung hin erhalten. Weiterhin können – wie bisher – Fertigarzneimittel auf Cannabisbasis verschrieben werden. Für die Versicherten wird zudem ein Anspruch auf Versorgung mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon geschaffen. Die Regelungen beschränken sich laut Gesetz auf “eng begrenzte Ausnahmefälle”, dazu zählen Menschen mit schwerwiegenden Erkrankungen und ohne Therapiealternativen.
Laut “Der Stand der medizinischen Versorgung mit Cannabis und Cannabinoiden in Deutschland, Franjo Grotenhermen, alternativer Drogen- und Suchtbericht 2015″ gab es bisher Ausnahmegenehmigungen für folgende 62 Diagnosen:
- Allergische Diathese,
- Angststörung,
- Appetitlosigkeit und Abmagerung (Kachexie),
- Armplexusparese,
- Arthrose,
- Asthma, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS),
- Autismus,
- Barrett-Ösophagus,
- Blasenkrämpfe nach mehrfachen Operationen im Urogenitalbereich,
- Blepharospasmus,
- Borderline-Störung,
- Borreliose,
- Chronische Polyarthritis,
- Chronisches Müdigkeitssyndrom (CFS),
- Chronisches Schmerzsyndrom nach Polytrauma,
- Chronisches Wirbelsäulensyndrom,
- Cluster-Kopfschmerzen,
- Colitis ulcerosa,
- Depressionen,
- Epilepsie,
- Failed-back-surgery-Syndrom,
- Fibromyalgie,
- Hereditäre motorisch-sensible Neuropathie mit Schmerzzuständen und Spasmen,
- HIV-Infektion,
- HWS- und LWS-Syndrom,
- Hyperhidrosis, Kopfschmerzen,
- Lumbalgie, Lupus erythematodes,
- Migraine accompagnée,
- Migräne,
- Mitochondropathie,
- Morbus Bechterew,
- Morbus Crohn,
- Morbus Scheuermann,
- Morbus Still,
- Morbus Sudeck,
- Multiple Sklerose,
- Neurodermitis,
- Paroxysmale nonkinesiogene Dyskinese (PNKD),
- Polyneuropathie,
- Posner-Schlossmann-Syndrom,
- posttraumatische Belastungsstörung,
- Psoriasis (Schuppenflechte),
- Reizdarm, Rheuma (rheumatoide Arthritis),
- Sarkoidose,
- Schlafstörungen,
- Schmerzhafte Spastik bei Syringomyelie,
- systemische Sklerodermie,
- Tetraspastik nach infantiler Cerebralparese,
- Thalamussyndrom bei Zustand nach Apoplex,
- Thrombangitis obliterans,
- Tics, Tinnitus,
- Tourette-Syndrom,
- Trichotillomanie,
- Urtikaria unklarer Genese,
- Zervikobrachialgie,
- Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma,
- Zwangsstörung
Eigenanbau weiter verboten
Mit dem neuen Gesetz macht die Regierung allerdings ganz klar, dass der Eigenanbau ein Tabu bleibt:
“Schwerkranke Menschen benötigen das Cannabis in einer standardisierten Qualität. Eigenanbau ist deshalb keine Alternative.”
Sagt die Pressemitteilung zum Gesetzesentwurf.”
Bliebe zu spekulieren, ob diese Einschränkung bei einer so verhältnismäßig leicht zu züchtenden Pflanze wie Hanf und den vielen vorhandenen Erfahrungswerten durch Hobbyzüchter und deren Vernetzung dem Staat Milliarden an Einnahmen verloren gingen, wenn alle kranken Kleinbauern würden. Jeder selbst angebaute Strauch bedeutet Hunderte Euro Verlust für die Apotheken.
Dennoch mit positivem Blick auf die neue Entscheidung ist es ein Schlag ins Gesicht der Pharmaindustrie. Hier gestattet eine Regierungsinstanz einem potenziellen Konsumenten teurer Schmerzmittel die autonom gesteuerte Selbsttherapie – und entzieht sie damit komplett dem Pharmamarkt. Diese Übereignung von Selbstverantwortung für das eigene Wohlergehen ist für deutsche Verhältnisse phänomenal; denn grundsätzlich tendieren wir stark zur Abgabe der Autorität über unseren Körper (und seine Leiden) an andere Autoritäten, nämlich Ärzte, und begeben uns so in die Abhängigkeit von Konzernen, nämlich der Pharmaindustrie. Der Berufsverband der Rechtsjournalisten e.V. hat ein Informationsblatt mit den wichtigsten Antworten zur neuen Gesetzesregelung erstellt, um interessierten Bürgerinnen und Bürgern einen Ausblick zum neuen Gesetz geben zu können. Hauptsächlich werden hier folgende Fragen behandelt:
- Was wird sich an den allgemeinen Gesetzen zu Cannabis ändern?
- Bei welchen Diagnosen ist eine Behandlung mit Cannabis überhaupt möglich?
- Wie genau funktioniert die geplante Cannabis-Agentur?
- Was wird sich für Ärzte und Krankenkassen ändern?
- Kritik und Ausblick – wie soll künftig verfahren werden?
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Quellen:
www.anwalt.org
www.hanfverband.de/faq/fuer-welche-diagnosen-bekommen-patienten-in-deutschland-legal-cannabis
www.welt.de/politik/deutschland/article161310916/Bundestag-gibt-Cannabis-auf-Rezept-in-Deutschland-frei.html
www.cannabis-special.com/cannabis-legalisierung-2017/