“Während sich der Geist immer mehr vergleicht, immer besitzergreifender, immer abhängiger wird, bildet er ein Muster, indem er sich verfängt, so das er nichts mehr unbefangen und klar sehen kann. Und damit zerstört er dieses Besondere, diesen besonderen Duft des Lebens, der die Liebe ist.“ Bestseller-Autor und Bio-Physiker Dieter Broers in einem weiteren Teil zu seiner Reihe über “Geist & Liebe”.
“Aber das ist keine Liebe”
Liebe Freu(n)de,
Der letzte Artikel “Was ist der Geist” (Teil 1) endete mit den Worten „Aber das ist keine Liebe.“
Hier die Fortsetzung…
„Das ist bloß mein Wunsch, was Liebe sein sollte. Sagen wir zum Beispiel, daß ich Dich als meine Frau als meinen Mann besitze. Versteht Ihr? Besitzen – Ihr besitzt Euren Sari oder Euren Mantel. Würde jemand Euch das nehmen wollen, würdet Ihr wütend, ängstlich oder irritiert sein. Warum? Weil Ihr Euren Sari oder Mantel als Euren Besitz anseht. Ihr besitzt ihn, denn durch Besitz fühlt Ihr Euch bereichert. Wenn Ihr viele Saris, viele Mäntel habt, fühlt Ihr Euch reich – nicht nur körperlich, sondern innerlich reich. Wenn Euch also jemand Euren Mantel wegnimmt, werdet Ihr ärgerlich, weil Ihr das Gefühl, reich zu sein, des Besitzergefühls innerlich beraubt werdet. In bezug auf die Liebe zieht besitz eine Grenze, nicht wahr? Ist es Liebe, wenn ich Dich besitze? Ich besitze Dich, wie ich ein Auto, einen Mantel, einen Sari besitze, weil ich mich mit Besitz reich fühle. Ich bin davon anhängig. Das ist für mich innerlich sehr wichtig. Dieses Besitzen, dieses Vereinnahmen, diese Abhängigkeit nennen wir Liebe. Doch wenn Ihr das untersucht, werdet Ihr erkennen, dass sich Euer Kopf durch Besitz befriedigt fühlt. Schließlich vermittelt Euch der Besitz vieler Saris, eines Autos oder eines Hauses eine bestimmte Befriedigung, das Gefühl, dass es Eures ist.
Also schafft sich der verlangende Geist ein Muster, und darin wir er eingefangen und so wird der Geist allmählich müde, abgestumpft und gedankenlos. Der Geist ist das Zentrum dieses Gefühls von „mein“, dieses Gefühls, daß mir etwas gehört, daß ich ein großer Mann bin, daß ich ein kleiner Mann bin, daß ich beleidigt bin, daß ich mich geschmeichelt fühle, daß ich klug bin oder sehr schön, daß ich ehrgeizig sein will oder die Tochter oder der Sohn von jemandem bin.
Gibt es noch Liebe? Und was sagt der Geist dazu?
Dieses Gefühl vom „ich“ ist das Zentrum des Geistes, ist der Geist selber. Also – je mehr der Geist empfindet „dies gehört mir“ und sich damit eingrenzt, mit diesem Gefühl „ich bin jemand“, „ich muss groß sein“, „ich bin ein sehr kluger Mann“, oder „ich bin sehr dumm, ein dummer Mensch“, je weiter er an dem Muster baut, umso mehr wird er eingeschlossen, wir abgestumpft. Dann leidet er, dann kommt der Schmerz in diesem Gefangensein. Dann fragt er: „Was soll ich machen?“ Dann kämpft er, um etwas anderes zu finden, anstatt die Mauern einzureißen, die ihn umschließen – durch Nachdenken, durch sorgfältiges Gewahrsein, durch Untersuchung, durch Verstehen. Er möchte etwas von außen nehmen, um sich danach wieder darin einzuschließen. So wird der Geist allmählich zu einer Barriere für die Liebe. Wir können also unmöglich entdecken, was Liebe ist, ohne das Leben zu verstehen, ohne zu begreifen, was Geist ist, was die Denkweise ist, aus der eine Handlung entsteht.“…
„Solange also der Verstand vergleicht, fehlt es an Liebe, und der Verstand beurteilt, vergleicht, wägt ab, um eine Schwäche zu entdecken. Aber wo man vergleicht, fehlt die Liebe. Wenn Vater und Mutter ihre Kinder lieben, vergleichen sie sie nicht mit einem andern Kind. Es ist ihr Kind, und sie lieben es. Auch weil Ihr Euch mit etwas Besserem, Noblerem, Reicherem vergleichen wollt, schafft Ihr in Euch einen Mangel an Liebe. In der Beziehung zu einem anderen seid Ihr immer nur mit Euch beschäftigt. Während sich der Geist immer mehr vergleicht, immer besitzergreifender, immer abhängiger wird, bildet er ein Muster, indem er sich verfängt, so das er nichts mehr unbefangen und klar sehen kann. Und damit zerstört er dieses Besondere, diesen besonderen Duft des Lebens, der die Liebe ist.“
Jenseits unseres Verstandes
So möchte ich diese dreiteilige Serie über die Weisheiten Juddu Krishnamurti „Über die Liebe“ heute mit einem kurzen Auszug aus meinem letzten Buch abschließen:
„…Diese Liebe ist die Schöpferkraft des Kosmos und der fast unendlichen Multi-Welten, die uns alle als unsere Bühne des Seins (Lebens) zur freien Verfügung stehen damit wir durch wahrhaftige Freude – die ich als Liebe bezeichne – Erfahrungen sammeln können. Nicht durch das Wollen eines Egos, sondern aus der Wahrnehmung von Allem-was-ist in Einklang mit den Bestrebungen unseres inkarnationsübergreifenden Selbst. Dieses Wollen ist wahrhaftige Freude. So erfreuen (oder „er-lieben“) wir uns unsere Wünsche, jenseits der Bestrebungen unseres Verstandes.“
Auszug aus dem Kapitel Kapitel „Vom Werden zum Sein – vom Sein zum Werden“
Me Agape,
Dieter Broers
Liebe Freunde,
ich möchte Euch noch einmal daran erinnern, dass wir selber mindestens zwei Bewusstseinszustände verkörpern, unser (ewiges) ganzheitliches Selbst und unser körpergebundenes Verstandes-Selbst. Doch unser Verstand hat seine speziellen Kompetenzen, Eigenschaften und Grenzen und seine ganz eigene Entstehungsgeschichte. Für unseren Verstand ist unmöglich, die wahrhaftige Liebe (an sich*) zu erfassen. Eine jede Vorstellung über die oder Beschreibung von Liebe wird bestenfalls eine Näherung sein können. Sofern wir unsere gesamten Vorstellungen über die Liebe üblicherweise unserem konditionierten Verstand überlassen.
Dieses Problem fasste Laotse in seinem Tao te king (Das Buch vom Sinn und Leben) in seinem ersten Kapitel mit folgenden Worten: „Das Tao, das mitgeteilt werden kann, ist nicht das ewige Tao.“ bzw. „Der SINN, der sich aussprechen (benennen) läßt, ist nicht der ewige (wahre) SINN.“ Die Weisheit dieses ersten Zitates aus dem Tao te king ergibt sich, wenn ich „Liebe“ mit „Tao“ und „Sinn“ gleichsetze. Ein – wenn auch nur theoretischer – Näherungsversuch der Verstandesdeutung könnte sein, wenn wir uns die Liebe als Urzustand und Basis des Seins vorstellen – also uns Liebe als Kontinuum vorstellen. Die (Er-)Lösung dieses „hausgemachten“ Konfliktes könnte letztlich sehr einfach sein, sie liegt im Gewahrsein unseres ganzheitlichen Selbst. In diesem naturgemäßen Zustand unseres Seins sind wir dann, wenn wir der „Intelligenz unseres Herzens“ folgen…
*Das Ding an sich ist eine Begriffsbildung Immanuel Kants, der damit ein Seiendes bezeichnet, welches unabhängig von der Tatsache existiert, dass es durch ein Subjekt wahrgenommen wird und somit für dieses zum Objekt würde.
„Bevor der Verstand sich entschließt, einen Schritt zu tun, hat die Liebe den siebenten Himmel erreicht.“
Rumi