„Gesünder einkaufen und besser essen ist jetzt ganz einfach.“ 2020 wurde in Deutschland der Nutri-Score oder auch bekannt als Lebensmittelampel eingeführt, um dem Verbraucher Orientierung und Hilfestellung in Bezug auf gesunde Ernährung zu bieten. Das zumindest behauptet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf seiner Webseite. Bei genauerem Hinsehen wird aber schnell klar, der Nutri-Score ist nicht, was der Verbraucher sich darunter vorstellt. Mit gesunder Ernährung hat der Nutri-Score jedenfalls wenig zu tun. Der Nutri-Score wurde ins Leben gerufen, um mehr Verbraucherinformation und Transparenz zu liefern. Grundsätzlich ist das keine schlechte Idee, allerdings ist der Nutri-Score alles andere als transparent und informativ. Im Gegenteil, der Verbraucher wird durch die Lebensmittelampel eher in die Irre geführt, als dass er etwas Gutes daraus ziehen kann.
Was bedeutet der Nutri-Score auf Lebensmitteln?
Der Nutri-Score bewertet den Nährwert ausgewählter Lebensmittel und dient primär dazu, Produkte innerhalb derselben Produktgruppe miteinander zu vergleichen. Und da sind wir schon beim ersten Punkt, der wichtig ist. Denn die meisten dachten wohl, dass der Nutri-Score sich auf das Gesamte bezieht. Also Nüsse etwa müssten Nutri-Score „A“ haben, wohingegen die Tiefkühlpizza aus dem Eisschrank Nutri-Score „E“ aufweisen sollte. Oder?
Weit gefehlt. Denn es gibt auch Tiefkühlpizza mit Nutri-Score A (!), welche dann automatisch als gesund bewertet ist. Das liegt daran, dass diese Produkte, wie oben erwähnt, nur innerhalb derselben Produktgruppe bewertet sind. So kann es auch vorkommen, dass Nüsse mit einem C oder D bewertet sind, während eine vegane Tiefkühlpizza das „Gesundheitssiegel“ A bekommt.
Der Nutri-Score hilft also im Grunde nur, das Produkt mit den besten Nährwerten innerhalb derselben Produktgruppe zu ermitteln. Und selbst das stimmt nur zum Teil…

Wie funktioniert der Nutri-Score?
An dieser Stelle möchte ich kurz erwähnen, dass die Idee hinter dem Nutri-Score nicht schlecht ist. Nur leider ist das Konzept nicht richtig durchdacht. Das sehen auch verschiedene Ernährungsexperten so, doch dazu gleich mehr. Wie also funktioniert der Nutri-Score?
Der Nutri-Score bezieht sich auf 100 Gramm oder 100 Milliliter eines Lebensmittels in einer bestimmten Gruppe. Bei der Berechnung werden sowohl erwünschte Nährwertelemente wie Obst, Gemüse, Nüsse, Ballaststoffe und Eiweiß sowie unerwünschte Nährwertelemente wie Zucker, der Kaloriengehalt, gesättigte Fettsäuren und Natrium berücksichtigt. Die Berechnung des Nutri-Scores erfolgt dann in mehreren Schritten.
Wie wird der Nutri-Score berechnet?
Der Nutri-Score basiert auf einem Punktesystem. So werden erwünschte sowie unerwünschte Inhaltsstoffe einem Punktwerte zugeordnet. Zu den unerwünschten Inhaltsstoffen zählt die Gesamtenergie in Kalorien, Zucker, Natrium sowie gesättigte Fettsäuren. Im Zuge dessen gibt es zwischen 0 und 10 Punkte. Je mehr Energie, Zucker, Natrium oder gesättigte Fettsäuren ein Lebensmittel liefert, umso mehr Punkte werden vergeben.
Die erwünschten Inhaltsstoffe wie Obst, Gemüse, Nüsse, Ballaststoffe oder Eiweiß erhalten jeweils Punkte von 0 bis 5. Berechnet wird die Gesamtpunktzahl dann aus der Summe für weniger erwünschte Nährwerte abzüglich der Summe für erwünschte Nährwerte.
Die Punkte für weniger erwünschte Inhaltsstoffe – den Punkten für erwünschte Inhaltsstoffe = Gesamtpunktzahl des Nutri-Scores.
Wo liegt das Problem?
Das Hauptproblem liegt wohl darin, dass die meisten Leute sich nicht damit auseinandersetzten, wie der Nutri-Score aufgebaut ist. Vor allem Leute, die sich wenig mit Lebensmitteln auseinandersetzen, werden durch den Nutri-Score, so wie er im Moment funktioniert, fehlgeleitet. Denn seien wir mal ehrlich, eine vegane Tiefkühlpizza ist immer noch eine Tiefkühlpizza, egal, ob Nutri-Score A oder E. Mit gesunder Ernährung hat das nichts zu tun.
Verschiedene Ernährungsexperten äußern sich ebenfalls kritisch zum Thema. Sie meinen etwa, dass eine solche Skala zum einen nicht auf freiwilliger Basis aufbauen, sondern verpflichtend sein sollte. Denn so ist es für Hersteller, welche schlechte Produkte verkaufen, nur noch einfacher, sich aus der Affäre zu ziehen.
Des Weiteren lässt sich die Lebensmittelampel vom Hersteller – der Lebensmittelindustrie leicht manipulieren, indem die schlechten, weniger erwünschten Nährwerte einfach mit erwünschten Nährwerten aufgewogen werden. Ein Beispiel: Nehmen wir noch einmal die vegane Tiefkühlpizza. Diese ist grundsätzlich nicht gesund! Weil sie aber mehr erwünschte Nährwerte enthält als weniger erwünschte oder einfach Inhaltsstoffe mit weniger guten Nährwerten weggelassen wurden, bekommt sie unter Umständen ein „A“.
Des Weiteren orientiert sich der Nutri-Score an einem Referenzwert von 90 Gramm Zucker pro Tag. Laut Experten liegt dieser Wert aber weit über dem, was wir täglich zu uns nehmen sollten. Der Nutri-Score toleriert also einen enorm hohen Zuckeranteil, weshalb auch Produkte mit viel Zucker ein „A“ oder „B“ erhalten können.

Wird sich etwas ändern?
Tatsächlich hat die EU bereits ein „Update“ angekündigt. So sollen Lebensmittel nach gesundheitlichen Aspekten neu berechnet werden. Dennoch, wer sich gesund und ausgewogen ernähren will, sollte weiterhin einen Blick auf die Nährwerttabelle, aber auch die Zutatenliste werfen.
Auch die Tricks der Lebensmittelindustrie sollte man kennen. Denn Begriffe wie „Light“, „Lean“, „Balance“, „Fitness“ oder „weniger Zucker“ etwa sind reines Marketing und sagen nichts darüber aus, wie gesund oder ungesund ein Lebensmittel ist. Das Label „zuckerfrei“ heißt ebenfalls nicht automatisch, dass im Produkt kein Zucker steckt. Dieser wird lediglich durch sogenannte Zuckeralkohole ersetzt.
Willst Du Dich wirklich gesund ernähren, solltest Du stets darauf achten, industriell verarbeitete Lebensmittel zu vermeiden. Je weniger auf der Zutatenliste steht, desto besser! Der Nutri-Score sollte lediglich dazu dienen, bestimmte Lebensmittel in ihrer Gruppe zu vergleichen. Er sagt nicht aus, ob ein Produkt gesund ist oder nicht.
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