Bertram Verhaag, geboren in Oberschlesien im Jahr 1944, ist ein deutscher Filmemacher und Produzent. Seine Filme beschäftigen sich mit vielen verschiedenen Themen, trotzdem kann man sie ganz einfach in eine Art Schublade stecken – sie regen zum Nachdenken an. Daher kommt auch der Name seiner Produktionsfirma DENKmal-Film. Seit über 30 Jahren dreht Verhaag nun schon Dokumentationen und Reportagen, welche sich unter anderem mit Themen wie Nachhaltigkeit, Gentechnik, Bio-Landwirtschaft sowie mit sozialgesellschaftlichen Probleme wie Rassismus auseinandersetzen. Die Filme sprechen wichtige Angelegenheiten an, welche uns alle betreffen – und in Zukunft immer weiter an Bedeutung gewinnen werden. Es ist ein sowohl breit gefächertes als auch sehr tiefgründiges Repertoire. Aufgrund dessen war es für uns an der Zeit, den Mann hinter den aufrüttelnden Werken etwas besser kennenzulernen.
Filmtipp: Der Bauer mit den Regenwürmern
Ein Film von Bertram Verhaag
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Ein Interview mit Bertram Verhaag
Redaktion: Möchtest Du Dich unseren Lesern einmal vorstellen?
Bertram Verhaag: Ich hatte einen sehr facettenreichen Lebens- und Ausbildungsweg. Erst mal studierte ich Betriebswirtschaft. Dann kamen die 68er-Jahre mit den vielfältigen Studenten „Unruhen“. Ich studierte noch Volkswirtschaft und arbeitete drei Jahre in der Münchner Stadtplanung als Selbstständiger. Wir machten dort Studien für den Stadtrat über die Zweckentfremdungsverordnung und die Verdrängung von älteren Mietern an den Stadtrand, die aber dann in der Schublade verschwanden und nicht öffentlich behandelt wurden.
Das hat mich so frustriert, dass ich mich nach etwas anderem umschaute. Hier in der Nähe war die Münchner Filmhochschule, da dachte ich mir „das wäre doch was, da kann ich mich bewerben und da kann nicht jeder eingreifen, ob das veröffentlicht wird oder nicht“. Ich wurde dann aufgenommen und gründete nach der Filmhochschule mit zwei Freunden zusammen eine Firma: Denkmal Film.
R: Was bedeutet der Name?
B.V.: Wir wollten Filme zum Nachdenken machen. Nach 10 Jahren Zusammenarbeit trennten wir uns und ich fing an, zu bestimmten gesellschaftlich wichtigen Themen Filmserien zu machen: als erstes zu – Wackersdorf und Atomenergie. Dazu entstanden 5 Filme, weil bei uns in der Nähe in Wackersdorf (eineinhalb Autostunden) eine Wiederaufarbeitungsanlage für Atommüll gebaut wurde.
Filme zum Nachdenken
Dann tauchte die Rassismus-Debatte Anfang der 90er-Jahre auf. In diesem Zusammenhang sah ich einen Film aus USA. Über eine Frau, sie heißt Jane Elliott – die eine ganz spannende Anti-Rassismus-Arbeit machte. Sie war Lehrerin in einer Sonderschule mit Schülern, denen Sie versuchte zu erklären, warum Martin Luther King erschossen wurde. Das Ganze fand in Iowa statt, wo es im Grunde kaum Farbige gab zu der Zeit. Und sie versuchte ihren Schülern zu erklären, warum jemand erschossen wird in einer Gesellschaft, nur weil er eine andere Farbe hat oder weil er nicht weiß ist.
Sie erfand einen Workshop, in dem sie ihre Schüler einen Tag lang einteilte in blauäugige und braunäugige und sie entsprechend behandelt: zuvorkommend die blauäugigen weißen Schüler und entsprechend eingeschränkt die farbigen braunäugigen. Ich fand das Experiment so gut, dass ich rüber flog in die USA und sie traf. Ich fragte, ob sie Lust hätte, mit uns einen Film machen über Ihre Arbeit. Es gab zwar bereits Filme über Sie, aber nicht so, wie ich es mir vorstellte. So drehten wir dann mehrere Workshops mit Ihr. Der Film wurde sehr erfolgreich und in 40 Ländern verkauft. Blue eyed ist international gesehen sicher unser erfolgreichster Film.
Der Trailer zu Blue Eyed
Das Thema Gentechnik
R: Ein großes Thema ist bei Deinen Filmen auch die Gentechnik?
B.V.: Ja, dann tauchte das Thema Gentechnik auf. Und das war für mich ein ganz einschneidendes Erlebnis. Ich las einen Artikel in der Monde diplomatique über das sogenannte Terminator-Saatgut; das heißt, die Industrie erlaubt sich, unser Saatgut gentechnisch so zu verändern, dass es nicht mehr keimfähig ist. Das empörte mich sodass mir schier die Tränen kamen darüber, dass wir in Zukunft nicht mehr keimfähiges Getreide essen sollten. Ich verstand von einem Moment auf den anderen, warum die Industrie Gentechnik macht. Es geht nicht darum, uns bessere Lebensmittel oder gesündere oder heilende oder wie auch immer Lebensmittel zu geben, sondern darum, den Markt zu beherrschen. Der Bauer soll gezwungen werden, jedes Jahr neues Saatgut zu kaufen.
Und dazu hat Monsanto, heute Bayer, die Pflanzen gentechnisch so verändert, dass sie resistent sind gegen ein Gift dieser gleichen Firma. Der Bauer wurde gezwungen, zu dem Saatgut gleich das Gift derselben Firma (Monsanto) zu kaufen. Nämlich: Round-up mit dem Inhaltsstoff Glyphosat. Nutzt der Bauer dieses Gift, stirbt alles ab auf dem Acker außer die gentechnisch resistent gemachte Nutzpflanze. Eine perverse Idee – wie ich finde.
R: Bist Du selbst verbunden mit der Landwirtschaft?
B.V.: Von meinem ersten bis zum sechsten Lebensjahr lebte ich auf dem Bauernhof meiner Großeltern und das war für ein Kind ein tolles Erlebnis. Ich glaube, das hat mir auch ein gewisses Urvertrauen gegeben, weil ich unbeobachtet von meiner Mutter den großen Bauernhof, die Tiere und die Pflanzen und Natur kennenlernen konnte.
R: Deine ersten Filme wurden dann hauptsächlich an Endverbraucher verkauft und nicht öffentlich gezeigt?
B.V.: Es hat über zehn Jahre gedauert, bis das Fernsehen meine Filme aufgegriffen hat. Als ich anfing, Filme über gute nachhaltige Landwirtschaft zu machen, wurden diese dann mehr und mehr akzeptiert.
R: Welches ist Dein wichtigster Film?
B.V.: Der bekannteste und wichtigste ist Der Bauer und sein Prinz. Das ist ein Film über die Öko-Farm von Charles III., damals noch Prinz Charles. Der hatte irgendwann mal die brennende Idee, ökologische Landwirtschaft auszuprobieren. Und holte sich dann aus Deutschland einen Fachmann, Prof. Hardy Vogtmann, von der Universität Kassel/Witzenhausen, um das zu lernen.
Landwirtschaft geht uns alle an
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Die Geschichte vom Ende der Gentechnik
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R: Woher hast Du Deine Inspiration zu all den Filmen?
B.V.: Oft fange ich einen Film an und dann zeigten sich so viele neue Aspekte, dass ich gleich beschloss, einen oder sogar weitere zu machen. Zum Thema Gentechnik waren das 10 Filme – zu nachhaltiger Bio-Landwirtschaft 15 Filme.
R: Was hältst Du von dem Argument ‘Bio ist zu teuer’?
B.V.: Es gibt natürlich endlose Gründe, warum man Bio kaufen sollte. Es wird nicht gespritzt, es sind keine Gifte darauf oder darin. Falls die Produkte wirklich bio sind und alte Sorten, dann sind sie heilende Früchte und ob das jetzt Getreide ist oder Äpfel, das ist ganz egal. Und diese Lebens-Mittel, die bringen uns ja aus dem Boden Mineralien und sonstige Stoffe, die uns heilen und nutzen. In den letzten 40 Jahren haben auf der anderen Seite industriell hergestellte Nahrungsmittel bis zu 80 Prozent ihrer wichtigen und heilenden Nährstoffe verloren – es ist also eminent wichtig eine Landwirtschaft zu unterstützen, die die Böden nicht zerstört.
Über diese Dinge machte ich Filme und versuchte, immer in die Tiefe zu gehen, nicht nur so oberflächlich ‘bio’ zu zeigen: wie machten die Bauern Bio und wie wird Bio geschätzt von den Menschen? Der Film Der Bauer mit den Regenwürmern porträtiert einen Bauer hier in der Nähe von Freising. Der hat pro Quadratmeter etwa 350 Regenwürmer. Der Durchschnitt in Bayern liegt aber bei 17 Regenwürmern pro Quadratmeter. Diese Regenwürmer, hat er nicht gekauft, sondern er ließ sie einfach leben. Er ließ den letzten Schnitt auf der Wiese liegen. Im Winter holen sich die Regenwürmer das nach unten, wo sie es fressen, verdauen und ausscheiden. So machen sie einen wunderbaren Humus. Durch diese Anzahl von Regenwürmern bekommt er pro Jahr ein bis zwei Zentimeter besten Humus geschenkt – ohne dass er pflügen oder sonst irgendwas tun muss.
Der Trailer zu Der Bauer und sein Prinz
Die Zukunft soll bio-dynamisch sein
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R: Und dann gibt es ja auch noch die Folgekosten…
B.V.: Ja, bei diesen billigen Preisen der konventionellen Nahrungsmittel werden die Folgekosten nicht berechnet. Damit meine ich nicht, was vom Konsumenten bezahlt werden muss, sondern zum Beispiel die Krankheitskosten wegen Giften und ungesunden Fertiggerichten oder die gesamten Infrastrukturkosten.
R: Wie stehst Du zur biodynamischen Landwirtschaft?
B.V.: Das ist für mich die Königin des Lebensmittel-Anbaus. Darüber machte ich jetzt einen 60-minütigen Film mit dem Titel Ode an den Mist. Da schaffte ich es vielleicht für den normalen Zuschauer verständlich zu machen, warum eben biologisch dynamisch angebaut wird und welche Kräfte dort wirken. Wachstumskräfte, aber auch Kräfte aus dem Weltall, kleinste Quarz Steine werden zu Staub zerrieben und dann in minimalsten Mengen in Wasser gemischt wieder auf die Felder gebracht. Und welche Rolle die Kühe und ihre Hörner dabei spielen. Grundgedanke der bio-dynamischen Landwirtschaft ist es, die Erde sowie den Boden besser zu hinterlassen, als man sie vorgefunden hat.
R: Du hast Dich lange mit schweren Themen beschäftigt und dann irgendwann den Schwenk gemacht, die Hoffnungsthemen auch zu beleuchten. Hast Du vielleicht für die Menschen Tipps, was sie ganz praktisch und einfach selbst Gutes tun können?
Bertram Verhaag: Ich würde raten, bitte bei den Bio-Lebens-Mitteln zu bleiben. Natürlich auch zu gegen giftige Anbaumethoden protestieren und darauf zu achten, wen man mit seinem Geld unterstützt. Sonst kann man vielleicht auch selbst etwas anbauen oder eine kleine Bienen-Weide auf dem Balkon zu pflanzen oder ein Insektenhaus aufhängen. Aber das Wichtigste ist natürlich zu erkennen, welche Macht ich als Konsument jeden Tag an der Kasse im Supermarkt habe. Wenn ich zum Beispiel eine Milch nicht kaufe, lässt sie der Produzent blitzschnell ausräumen und ersetzt sie durch eine andere Milch. Bestes Beispiel sind die vielen Bio-Produkte, die es im Supermarkt oder in Bioläden inzwischen gibt. Das haben wir als Konsumenten durch unsere Nachfrage erreicht.
Der Trailer zu Code Of Survival:
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Ich schätze die Zeit und Mühe, die du in diese Beiträge investierst. Es zeigt sich definitiv in der Qualität.