Der Mensch hat den Planeten mittlerweile so grundlegend verändert, dass Forscher eine neue erdgeschichtliche Epoche ausrufen. Das Anthropozän – das Zeitalter des Menschen. Das klingt spannend, die Frage ist jedoch, ob dieser Ausruf gut oder doch eher schlecht ist. Haben wir uns gut oder schlecht entwickelt und vor allem, welche Folgen hat unser Wirken der letzten Jahrhunderte bezüglich unseres Lebensraums?
Ein neues Zeitalter – wie gut haben wir uns entwickelt?
Als ich das erste Mal vom Begriff des Anthropozäns gehört hatte, und der Annahme, dass wir uns in einem neuen Zeitalter befinden, war ich zunächst beeindruckt. Ich dachte, „Wow, was für ein Wandel und ich bin mittendrin, statt nur dabei“.
Nachdem ich mich dem Thema aber ein wenig intensiver angenommen und recherchiert habe, kam ich schnell zu dem Entschluss, das Anthropozän ist nichts, worauf wir stolz sein sollten. Im Grunde bedeutet der Begriff nämlich nichts anderes, als dass wir den Planeten durch unsere gierige und rücksichtslose Lebensweise langfristig und tief greifend so stark verändert haben, dass wir uns in einer neuen geologische Erdepoche wiederfinden. Und zwar in einer Epoche geprägt von Artensterben, Umweltkatastrophen, beschleunigter Erderwärmung und schwindender Landoberflächen.
Das Anthropozän macht denkbar, was viele schon am eigenen Leib zu spüren bekommen – die menschengemachte ökologische Selbstvernichtung. Der Wissenschaftsjournalist Christian Schwägerl etwa beschreibt das Anthropozän auch als „Menschenzeit“:
„Der Mensch erschafft neue Landschaften, greift in das Weltklima ein, leert die Meere und erzeugt neuartige Lebewesen. Aus der Umwelt wird die ‚Menschenwelt’ – doch sie ist geprägt von Kurzsichtigkeit und Raubbau.“
Die natürlichen Puffer der Erde sind an vielen Stellen bereits aufgebraucht
Die Tatsache, dass wir den Planeten so tief greifend verändert haben, zeigt, wie mächtig wir als Menschen eigentlich sind. Dass wir in der Lage sind einen ganzen Planeten so zu verändern, dass er uns am meisten (kapitalistischen) Nutzen bringt. Dass wir diese Macht über Jahrhunderte falsch eingesetzt haben, bekommen wir jetzt zu spüren, denn die natürlichen Puffer und Ressourcen unserer Erde sind an vielen Orten bereits aufgebraucht. Die Meere sind teilweise leergefischt und übersäuert, weil sie immer mehr Kohlenstoff aufnehmen, während unsere Böden diese Übersäuerung nicht mehr kompensieren können und somit degradieren. Darüber hinaus findet ein enormes Artensterben und das Kippen ganzer Ökosysteme auf dem Planeten statt. So hat sich etwa das Artensterben seit Beginn der industriellen Revolution um den Faktor 100 erhöht.
Etwa drei Viertel der Erdoberfläche sind bereits umgewandelt, bebaut, versiegelt, umgepflügt und verformt. Ganz nach dem Motto „was nicht passt, wird passend gemacht“ und das ohne Rücksicht auf Verluste. Der Planet wird immer mehr und immer schneller ausgebeutet, mit fatalen Folgen. Diese können wir bereits jetzt verzeichnen, und das viel früher als unsere Wissenschaftler angenommen hatten.
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Um zu überleben, müssen wir neue Strukturreformen entwickeln
Für den Wissenschafts- und Umweltjournalisten Christian Schwägerl gibt es dahingehen nur zwei Möglichkeiten: zerstören oder gestalten. Und er stellt die alles entscheidende Frage, ob wir die Reife entwickeln werden, unsere Macht für eine langfristige Zukunft zu nutzen. Seine Antwort auf diese Frage: Nachhaltigkeit, und zwar nicht nur im ökologischen Sinne, sondern vor allem auch im gesellschaftlichen Bereich. Das heißt, wir sollten Nachhaltigkeit nicht nur als einzelne Individuen leben, sondern diese vor allem auch in den wirtschaftlich-technischen Reproduktionsprozess integrieren. Es geht also darum, die soziale und ökologische Bändigung der Marktkräfte voranzutreiben – und damit auch die Ausweitung der sozialen Demokratie zu fördern.
Denn solange wir uns von Märkten kontrollieren lassen und in Abhängigkeit von fossilen Energiesystemen leben, ist Nachhaltigkeit nicht möglich, da sie mit der heutigen Verwertungswirtschaft und dem Regime der finanzmarktgesteuerten Kurzfristigkeit, die in den globalen Arbitrage-Kapitalismus geführt haben, schlicht nicht vereinbar ist. Wenn wir uns auf Nachhaltigkeit umstellen wollen, was wir definitiv sollten, wenn wir überleben wollen, dann geht das nur durch tief greifende Strukturreformen. Und ja, dann muss jeder von uns ein wenig zurückstecken. Hinsichtlich dessen, was uns künftig erwartet, sollte dies aber in unser aller Interesse liegen.
Wir können Probleme nicht lösen, indem wir an nur einer Stellschraube schrauben
Das Problem an der ganzen Sache ist, dass wir die Dinge falsch angehen. Wir denken, dass es damit getan ist, eine Dieselsteuer zu erheben oder den Diesel sogar ganz zu verbieten. Oder wenn wir Plastiktüten verbieten, würde das einen erheblichen Beitrag leisten. Versteht uns nicht falsch, das sind natürlich alles gute Ansätze. Es bringt allerdings nicht, wenn wir alle paar Jahre ein Gesetz verabschieden, welches einen kleinen Beitrag zum Schutz unserer Umwelt leistet. So viel Zeit haben wir einfach nicht mehr. Wir müssen schlicht von dem Glauben wegkommen etwas erwirken zu können, wenn wir ab und zu mal an einer Stellschraube schrauben. Vor allem müssen wir auch die Nebenwirkungen von bestimmten Ideen in Betracht ziehen. Oft werden nämlich irgendwelche neuen Regeln aufgestellt und Gesetzte verabschiedet, ohne sich Gedanken über mögliche Konsequenzen in anderen Bereichen zu machen. Ein Beispiel hierfür sind Agrarkraftstoffe, also Benzin aus Pflanzen. Der Grundgedanke ist gut, allerdings muss hier auch an die ganzen Nebenwirkungen, etwa steigende Lebensmittelpreise, Transport- und Effizienzverluste, fatale Auswirkungen auf die Landwirtschaft usw., gedacht werden.
Was wir benötigen, ist eine Strategie, die ein Verständnis für die Komplexität des Gesamtsystems schafft. Natürlich ist auch das nur teilweise umsetzbar, da unsere Wissenschaftler selbst nicht alles über dieses komplexe System wissen. Im Grunde geht es aber darum, die gesellschaftlichen Kräfte von vornherein miteinzubeziehen. Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung globale Umweltveränderungen (WBGU) hat dazu einen “Gesellschaftsvertrag für eine große Transformation” vorgeschlagen, in welchem es darum geht, die gesellschaftlichen Kräfte von vornherein miteinzubeziehen, um langfristige Veränderungen erreichen zu können.
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