In der Corona-Pandemie wurden bis Dezember 2020 mehr als 65 Millionen registrierte Fälle notiert. Mehr als 1,5 Millionen Menschen sind in Verbindung mit der Erkrankung verstorben, wobei die Pandemie auf wirtschaftlicher Basis noch einmal mehr die Ungleichheit unserer Gesellschaft weltweit unterstrichen hat. Die Ungleichheit lässt sich auch in der Debatte um den Corona-Impfstoff beobachten. Die reichen Länder horten Impfstoffe und Diskutieren über einen möglichen Impfzwang, während die ärmeren Länder keinen bekommen. Der Europarat hat sich nun zu diesem Thema geäußert und spricht sich für mehr Transparenz, eine gerechte Verteilung des Impfstoffes und die Beachtung der Grundrechte aus.
Die parlamentarische Versammlung des Europarats
Am 27.01.2021 wurde eine Resolution des Europarates veröffentlicht. Seitdem wird das Schreiben auf verschiedensten Plattformen geteilt. Oft wird es im Zuge dessen leider auch falsch interpretiert, was zu weiterer Verwirrung und Missverständnissen führt. Dazu aber später mehr… Zunächst einmal ist es wichtig, zu erläutern, was es mit dem Europarat eigentlich auf sich hat, und dass dieser vor allem nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat ist. Letzterer ist nämlich in erster Linie für die Bestimmung der allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten der Europäischen Union zuständig. Der Europarat hingegen ist kein Organ der EU, sondern agiert unabhängig für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
1950 hat der Bundesrat gemeinsam mit den EU-Staaten die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verabschiedet. Wer sich nun also in seinen Menschenrechten verletzt sieht, kann vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Klage erheben. An das anschließende Urteil müssen sich EU-Mitgliedstaaten, die im Europarat sitzen, dann halten. Im Zuge des veröffentlichen Schreibens wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass eine Impfpflicht grundsätzlich rechtswidrig sei. So heißt es in dem Schreiben unter anderem folgendes (übersetzt aus dem englischen Original):
- Es ist sicherzustellen, dass die Bürger ausreichend darüber informiert werden, dass eine Impfung NICHT zwingend ist und dass eine Verweigerung der Impfung nicht zu politischen, gesellschaftlichen oder anderweitigen Nachteilen führt.
- Es ist sicherzustellen, dass niemand aufgrund seines Impfstatus diskriminiert wird
- Es sollten frühzeitig nötige und wirksame Maßnahmen unternommen werden, um Falschmeldungen bezüglich des Impfstoffes entgegenzuwirken, um einer Desinformation und dem Zögern der Bevölkerung entgegenzuwirken.
- Es ist sicherzustellen, dass die Bevölkerung Zugang zu allen wichtigen Informationen über die Sicherheit und mögliche Nebenwirkungen bezüglich der Impfung erhält, die Verbreitung von Fehlinformationen über Social-Media-Plattformen jedoch verhindert wird.
- Der Inhalt von Verträgen mit Impfstoffherstellern sollte transparent gehandelt und für die für parlamentarische und öffentliche Kontrolle öffentlich zugänglich gemacht werden.
Vorsicht ist jetzt aber bei der Schlussfolgerung einer dadurch grundsätzlich rechtswidrigen Impfpflicht geboten. Die AFP hat dazu am 4. Februar selbst beim Europarat nachgefragt. Worauf eine Sprecherin in einer E-Mail Folgendes antwortete:
“Die Resolutionen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats haben keine rechtlichen Auswirkungen auf die Mitgliedsstaaten. Allerdings haben die Resolutionen, insbesondere wenn sie mit so großer Mehrheit verabschiedet worden sind wie die Resolution 2361, um die es hier geht, natürlich schon einen Einfluss auf die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten, wenn auch nur indirekt (die 47 Parlamente, die in der Versammlung vertreten sind, verabschieden schließlich die nationalen Gesetze).”
Wäre eine Impfpflicht also überhaupt rechtens?
Der Satz „Wenn es einen Impfstoff gibt,…“ hat das Jahr 2020 wohl mit am meisten geprägt. Der Impfstoff – unsere Rettung. Dann tritt endlich Normalität ein und wir dürfen uns wieder unserer Grundrechte erfreuen…aber auch nur dann, wenn jeder sich schön brav impfen lässt. Da es aber einige Menschen gibt, die der Impfung kritisch gegenüberstehen (in Deutschland sind es immerhin ca. 19 %, die sich explizit dagegen ausgesprochen haben), hält sich die Debatte über eine Impfpflicht nach wie vor aufrecht, obwohl sich die Bundesregierung bereits gegen eine Impfpflicht ausgesprochen hat. Auf das Privatrecht habe sie jedoch keinen Einfluss, weshalb es durchaus vorkommen kann, dass Clubs, Bars, Restaurants etc. von ihrem Hausrecht gebraucht machen und nur Personen hereinlassen, die über eine entsprechende Corona-Impfung verfügen.
„Eine Impfpflicht ist ein Grundrechtseingriff insbesondere in das Recht auf körperliche Unversehrtheit.“ (Art. 2 II 1 GG)
Das Recht auf körperliche Unversehrtheit soll davor schützen, gegen den eigenen Willen den Auswirkungen eines Impfstoffs im Körper ausgesetzt und ggf. mit einer Nadel gestochen zu werden. Im Falle einer Impfpflicht für Kinder wäre zusätzlich das Grundrecht aus Art. 6 II 1 GG eingeschränkt, nach dem Eltern grundsätzlich frei über die Vornahme medizinischer Maßnahmen an ihren Kindern entscheiden dürfen. Jetzt wird es allerdings spannend, denn diese Freiheit darf aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Und zwar durch die Rechte derjenigen, die wegen einer Kontraindizierung nicht selbst geimpft werden können und auf Herdenschutz angewiesen sind. Auf dieser Grundlage basierend gibt es in Deutschland seit dem 1. März 2020 eine Masern-Impflicht, welche seit der Impfpflicht gegen die Pocken im Jahr 1982 die erste ihrer Art ist. Eine Rechtsgrundlage für die generelle Impfpflicht zur Herstellung einer Herdenimmunität gegen Corona existiert bisher allerdings noch nicht.
Dieses müsste der Bundestag speziell regeln. Was bedeutet, er kann sich dahingehend nicht auf eine im IfSG enthaltene Verordnungsermächtigung stützen, da Schutzimpfungen danach nur für „bedrohte Teile der Bevölkerung“ angeordnet werden können. Darüber hinaus gilt hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wonach eine Impfpflicht nur zulässig wäre, wenn sich nicht ausreichend viele Menschen impfen lassen und auch mildere Mittel nicht ausreichen, um genügend Menschen zur Impfung zu bewegen. Und selbst dann muss eine Impfpflicht nicht zwingend normiert werden. Denn auch wenn der Staat bezüglich der Einschätzung, ob nicht auch mildere Mittel den gleichen Erfolg versprechen, relativ frei ist, muss es zumindest plausibel sein, dass sich die Impfrate nicht auf grundrechtsschonendere Weise steigern lässt.
Freiheit ist kein Privileg…
…, sondern ein Grundrecht aller Menschen. Doch was sind diese Rechte wert, wenn sie vom Staat als relativ betrachtet werden. Wenn die Einschränkung von Grundrechten im Kampf gegen Corona als „das Normale“ gilt. Denn nur so lässt sich erklären, wie unsere Bundesregierung überhaupt auf die Idee kommt, ein Gesetz gegen „Sonderrechte für Geimpfte“ in Erwägung zu ziehen. Demnach gilt das Recht auf die Freiheit, ein normales Leben zu führen als unterdrückungspflichtiges „Sonderrecht“.
Insbesondere eine kürzlich getätigte Aussage des ehemaligen Justizministers und studierten Juristen Heiko Maas sorgte dahingehend für Aufsehen.
„Geimpfte sollten wieder ihre Grundrechte ausüben dürfen.“
So Maas gegenüber der Bild am Sonntag. Betreiber von derzeit geschlossenen Restaurants, Kinos, Theatern oder Museen hätten ein Recht darauf, ihre Betriebe wieder zu betreiben, wenn es dafür eine Möglichkeit gebe, und die gibt es, wenn die Menschen sich impfen lassen. Maas spricht sich damit als erster Politiker öffentlich für die Besserstellung von geimpften Personengruppen aus. Der Politiker sieht das Ganze allerdings ein bisschen anders:
„Es geht nicht um Privilegien, sondern um die Ausübung von Grundrechten von Geimpften,“
so Maas. Das heißt dann also, dass wir nur ein Recht auf Ausübung unserer Grundrechte haben, wenn wir uns fügen und das Recht auf körperliche Unversehrtheit einfach mal hinten anstellen. Glücklicherweise hat unsere Bundesregierung diese Forderung zunächst abgelehnt.
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Quellen: