Während der größte Teil der Region Andalusien stark unter der Finanzkrise leidet, hat das kleine Dorf Marineleda eine Utopie erschaffen, in der bezahlbarer Wohnraum und Vollbeschäftigung Realität sind.
Eine Idee, deren Zeit gekommen ist!
Vortrag von Prof. Götz Werner

12 Jahre Widerstand für einen Traum
Im Jahr 1979 begannen die DorfbewohnerInnen sich für Nutzungsflächen einzusetzen, die damals dem ehemaligen Franco-General El Infantado gehörten. Zwölf Jahre lang blockierten EinwohnerInnen von Marinaleda die Villa des Generals, um die Nutzungsrechte für El Humoso, eine 1.200 Hektar Fläche zu erhalten. Sie blockierten Schienen und Landebahnen auch in umliegenden Städten; sie ließen sich auch nicht von den Schergen des Generals oder Verhaftungen einschüchtern. Sie kämpften für ihren Traum von einem Leben ohne Armut, einem Leben in dem alle Menschen gleich sind. Nach zwölf Jahren, kurz vor der Expo in Sevilla, war es so weit. Die Politik gab auf, kaufte dem ehemaligen General sein Land ab und stellte es den Bewohnern des Dorfes zur Verfügung.
Wohnen und Arbeit sind Menschrechte
Wenig später gründeten sie die Genossenschaft „El Humoso“, die Oliven, Paprika, Saubohnen und Artischocken anbaut und in der Dosenfabrik des Dorfes abfüllt und verkauft. Die Genossenschaft erwirtschaftet jährlich fünf Millionen Euro und erzielt dabei einen Gewinn von 3% und das, ohne Menschen zu entlassen oder anderen Sozialabbau zu betreiben.
Im Dorf verdient jeder das gleiche, 47 Euro/Tag oder 1.128 Euro im Monat für eine 35 Stunden-Woche. Dieser Monatsbetrag gilt auch für alle anderen Bereiche. Zum Vergleich: Der Mindestlohn in Spanien liegt bei 600 Euro. In einer Region, in der rund ⅓ der Bevölkerung von Arbeitslosigkeit betroffen sind, scheint dieses Konzept wie ein Wunder. Auch Gordillo, der als Bürgermeister von der Region bezahlt wird und im andalusischen Regionalparlament sitzt, spendet alles, was er darüber einnimmt, ebenfalls. So unterstützt er mit seinen Spenden NGOs oder die Genossenschaft selbst, die von diesem Geld und von ihrem Gewinn ihre Produktion verbessert oder das Geld an das Dorf weiterleitet.
Zudem gilt in Marinaleda eine Weisheit, die der Rest der Welt vergessen zu haben scheint:
„Wohnen ist ein Menschenrecht und keine Ware, mit der Handel betrieben werden kann.”
Auch das Wohnen unterliegt einem besonderen Konzept: Jeder, der Bauen will, darf das unter folgenden Auflagen: Material und Arbeiter werden von der Gemeinde gestellt, die Hausbauer müssen mithelfen, und die Miete kostet die Besitzer lebenslang 15 Euro im Monat, mit der Auflage, das Grundstück nicht privat zu veräußern, sondern an die Kinder weiterzugeben.
Die Zukunft wird in der Gegenwart gestaltet

Kurzdokumentation über das andalusische Dorf Marineleda auf YouTube. Falls der deutsche Untertitel nicht automatisch angezeigt wird, klicke bitte auf das Zahnrad rechts unten und wähle „Untertitel deutsch“.
Wichtige Entscheidungen werden in Vollversammlungen getroffen. Die Menschen legen selbst fest, wie viel Steuern sie zahlen wollen oder wofür Überschüsse ausgegeben werden. Was über die Monatsgehälter hinaus erwirtschaftet wird, kommt dem Gemeinwohl zugute. So ist es möglich, dass das Dorf über mehrere Sportanlagen, einen großen Park und zahlreiche kleinere, gepflegte Grünflächen verfügt.
Die Geschichte des Dorfes Marineleda ist eine Geschichte des Widerstands, eine Geschichte, die in der heutigen Zeit Mut und Hoffnung spenden kann.
Eine Idee, deren Zeit gekommen ist!
Vortrag von Prof. Götz Werner
Arm trotz Arbeit
In den 34 Ländern der OECD leben knapp neun Prozent der Bevölkerung in Armut, obwohl sie in einem Haushalt mit mindestens einem Erwerbstätigen leben. Sprich: Der Lohn reicht diesen Menschen nicht für ein Leben über der Armutsgrenze aus. Deutschland hat dabei unter den OECD-Staaten den niedrigsten Anteil solch trotz Arbeit armer Menschen. Besonders hoch sind die Anteile in Griechenland, Spanien, Portugal und Italien, also in den Krisenländern in Europas Süden. Dort sind mehr als zehn Prozent trotz Arbeit arm. Die geringsten Anteile haben neben Deutschland die skandinavischen Länder – dort vor allem Dänemark und Finnland – sowie Australien und Irland.
Grundsätzlich hängt die Erwerbsarmut oft mit der Ungleichheit der Einkommensverteilung zusammen: Je ungleicher Einkommen verteilt sind, desto höher ist tendenziell der Anteil der Erwerbsarmen. Das zeigt sich etwa in Griechenland, Spanien und Portugal.
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Eine Idee, deren Zeit gekommen ist!
Vortrag von Prof. Götz Werner
Quellen:
http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-06/einkommen-armut
https://www.menschenrechtserklaerung.de/recht-auf-arbeit-3664/