Jeder kennt sie, die Altkleider Tonne, meist mit einem Aufkleber des Roten Kreuzes oder anderen Organisationen, die sich dafür einsetzen, bedürftigen Menschen zu helfen. An Schulen, an Müllsammelplätzen oder Kindergärten finden wir die Altkleidertonnen, in welchen wir getragene Klamotten, die wir nicht mehr benötigen, „spenden“ können. Schon seit einigen Jahren werden diese Tonnen und das Konzept dahinter jedoch nicht zu selten auch kritisch hinterfragt, weil die Klamotten oft nicht dort landen, wo sie landen sollten. Das Ausmaß dieses Problems ist allerdings größer als bisher angenommen.
„Ihre Kleiderspende kommt an“
Das ist der Slogan, welcher einen förmlich anspringt, wenn man die Rubrik Kleidersammlung auf der Webseite des Deutschen Roten Kreuzes besucht.
„Rund um das Thema Altkleidersammlung gab es bisher viele Fragen, Vorbehalte und Kritikpunkte. Wir wollen auch hier Klarheit schaffen – und haben im Jahr 2012 eine Transparenz-Initiative auf den Weg gebracht. Unser Ziel ist, Spender und Öffentlichkeit bestmöglich über den Sinn der Sammlung und die Verwendung der Spenden zu informieren.“
Heißt es weiter. Betrieben wird die Altkleidersammlung hauptsächlich, um bedürftigen Menschen zu helfen. Das DRK betreibt derzeit ca. 750 Kleiderkammern und Kleiderläden, wo sowohl Kleider verkauft als auch gespendet werden. Das Ziel ist es, mit dem Erlös freie Mittel für soziale Projekte zu schaffen. Die verwendeten Kleidungsstücke werden in den 18.000 Altkleider Tonnen gesammelt und dann an die verschiedenen Stellen weitergeben. So zumindest eine Form der Verwertung.
Ferner gibt es das sogenannte “Verwertermodell“, wo der Inhalt einer Altkleider Tonne komplett an ein bestimmtes Unternehmen verkauft wird. Die Erlöse aus diesem Verkauf kommen dann satzungsgemäßen Aufgaben des DRK zugute.
Das Deutsche Rote Kreuz sammelt jährlich 70.000 bis 80.000 Tonnen Altkleider, wovon nur rund die Hälfte noch tragbar ist. Der Rest wird als Rohstoff verarbeitet. 4.000 bis 5.000 Tonnen Altkleidung werden direkt an bedürftige Menschen weitergegeben, was auf die noch tragbare Kleidung bezogen rund 10 Prozent sind.
In welche Länder exportieren die Verwertungsunternehmen?
Das Deutsche Rote Kreuz arbeitet bundesweit mit über 15 Verwertungsunternehmen zusammen. Darunter die SOEX Group mit Sitz in Ahrensburg bei Hamburg, TEXAID Deutschland mit Sitz in Darmstadt und Dohmann Textilverwertung mit Sitz in Wolfen. Die Überschüsse dieser Verwertungsunternehmen werden nach Afrika, nach West- und Osteuropa, in den Nahen Osten und nach Asien exportiert.
Das Problem: Laut der Umweltagentur EEA hat sich die Zahl der aus der EU exportierten gebrauchten Textilien innerhalb von zwei Jahrzehnten verdreifacht. Die Behörde warnt davor, dass Europa im Umgang mit den Textilien vor einer großen Herausforderung stünde. Die Kapazitäten für eine Wiederverwendung und das richtige Recycling der Textilien sei in Europa begrenzt, wodurch ein Großteil der ausgemusterten und gespendeten Kleidung eben nach Afrika und Asien exportiert wird.
“Die öffentliche Wahrnehmung, dass Altkleiderspenden in diesen Regionen immer von Nutzen sind, spiegelt nicht die Realität wider”
Schreiben die Umweltexperten.
“Einmal exportiert, ist das Schicksal gebrauchter Textilien oft ungewiss.”
46 Prozent der gebrauchten Textilien landeten in Afrika
Im Jahr 2000 seien rund 550.000 Tonnen Textilien exportiert worden. 2019 seien es fast 1,7 Millionen Tonnen gewesen. Das entspreche im Durchschnitt 3,8 Kilogramm pro Person.
46 Prozent der gebrauchten Textilien landen allein in Afrika. Hier werden die Kleider dann lokal wiederverwendet, weil eine Nachfrage nach billiger, gebrauchter Kleidung aus Europa extrem hoch ist, so die Umweltagentur. Was allerdings nicht wiederverwendet wird, landet auf riesigen, offenen Mülldeponien.
Etwa 41 Prozent der gebrauchten Textilien aus Europa landeten 2019 zunächst in Asien. Hier wurden sie in zentralen Stellen sortiert und verarbeitet. Dabei wird ein Großteil der Stoffe entweder als Stoff- oder Füllmaterial für die Industrie genutzt, zum Recyceln in andere asiatische Länder oder zur Wiederverwendung nach Afrika geschickt. Die nicht zu verwendenden Textilien landen dort dann wieder auf Mülldeponien.
Afrika wird zur “Müllkippe des Westens”
Laut UN-Angaben ist die Bundesrepublik einer der größten Exporteure von Altkleidern. So werden mehr als eine Million Tonnen gebrauchter Textilien dem Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) zufolge in Deutschland jährlich für die Wiederverwertung gesammelt. Das entspricht über 15 Kg pro Einwohner, Tendenz steigend.
Diese Wegwerfmentalität hat bereits jetzt eine Umweltkatastrophe ausgelöst. Die Textilien werden unter anderem nach Ghana verschifft, wo sich Sammy Oteng, Projektleiter der OR Stiftung in der Hauptstadt Accra, für mehr Nachhaltigkeit in der Modeindustrie einsetzt. Er erzählt, dass auf dem größten Second-Hand-Markt des Landes, Kantamanto, wöchentlich rund 15 Millionen Kleidungsstücke eingehen.
“Bei einer Bevölkerung von 31 Millionen Menschen kann man leicht ausrechnen, dass die Hälfte aller Ghanaer ein Kleidungsstück kaufen müsste”
So Oteng. Das sei unmöglich, außerdem ließen sich rund 40 Prozent der ankommenden Kleidungsstücke nicht mehr weiterverwenden, da sie schäbig und zu alt seien, um sich weiterzuverkaufen. So landen täglich rund 70 Tonnen Textilien von Kantamanto auf einer Müllhalde am Ufer der Korle-Lagune in Accra. Von dort aus trägt der Wind die Textilien viel zu oft in Richtung Lagune, wo sie dann ins Meer hinausgespült werden.
“Wir sind zur Müllkippe des Westens geworden.”
Was können wir dagegen tun?
Wenn wir überlegen, dass die Textilien, die der Westen ja bereits aussortiert hat, nach Afrika verschifft werden, um dort weiterverwendet werden zu können, kann man sich ausdenken, wie viele der Textilien Letzten Endes auf dem Müll landen. Ganz davon abgesehen, dass ich es moralisch mehr als verwerflich finde, unser abgetragenes Zeug, welches für uns nicht mehr gut genug ist in Entwicklungsländer abzuschieben. Für die reicht es schon noch, sollen die sich doch um das Problem kümmern… Klingt für mich nicht sehr fair… Was können wir also tun, um die Sache für jeden fairer zu gestalten?
Nun, zunächst gilt einmal – wie bei allem, wenn es um die Schonung unserer Umwelt geht, sein eigenes Konsumverhalten zu hinterfragen. Denn durchschnittlich kauft jeder Deutsche rund 60 neue Kleidungsstücke, jährlich. Fast Fashion ist der neue Modetrend. Dabei geht es darum, so viele Klamotten wie möglich zum niedrigsten Preis herzustellen und zu verkaufen. Und genau hier liegt das Problem. Billige Ware, ein paar Mal tragen, dann ist sie kaputt und wird weggeworfen. Das Problem liegt also nicht in der Altkleidersammlung an sich, sondern an der Menge von Kleidung, die die Stellen verarbeiten müssen.
Wir tragen unsere Klamotten im Durchschnitt bis zu viermal, bevor wir sie entweder in die Altkleidersammlung stecken oder direkt wegwerfen. Etwa 20 Prozent unseres Kleiderschrankes werden gar nicht getragen. Das Zeug hängt da einfach, weil wir es uns irgendwann einmal eingebildet haben.
Qualität statt Quantität
Beim Kauf und der Verwendung von Kleidungsstücken gibt es ein paar einfach Dinge, die man berücksichtigen sollte. Polyester etwa, sollte vermieden werden, da es aus Mikroplastik und Mischfasern besteht. Außerdem basiert Polyester auf Erdöl – einem nicht erneuerbaren Rohstoff unserer Erde, der bei der Herstellung enorm viel Energie verbraucht.
Mischfasern lassen sich nicht bzw. nur sehr aufwendig recyceln, da die Fasern nur durch sehr aufwendige Prozesse voneinander getrennt werden können. Das ist teuer und rentiert sich wirtschaftlich nicht. Ein Faser-zu-Faser-Recycling findet also kaum statt.
Das Mikroplastik entsteht durch Abrieb. Das heißt durch das Tragen von Polyester Kleidung lösen sich winzige Polyester-Fasern aus der Kleidung und landen in der Umwelt, wo sie mehrere 100 Jahre nicht abgebaut werden können. Das Mikroplastik unserer Kleidung landet in der Umwelt, verschmutzt das Grundwasser, gelangt in die Meere, wird von Fischen gefressen und landet somit letztlich auch auf unseren Tellern.
So kannst Du auch bei Deiner Kleidung Abfall vermeiden
Den ersten Schritt haben wir bereits getan, indem wir ein Bewusstsein für das Problem entwickelt haben. Der zweite Schritt ist bewussteres Einkaufen. Das bedeutet: weniger ist mehr, also weniger Kleidungsstücke, aber von höherer Qualität. Achte deshalb beim Kauf Deiner künftigen Kleidungsstücke auf Folgendes:
- Vermeide Kleidungsstücke aus Mischfasern
- Kaufe Kleidungsstücke aus natürlichen Fasern wie Baumwolle, Leinen, etc.
- Kaufe insbesondere Funktionskleidung, die aus recycelten Kunststoffen besteht
- Achte auf Siegel und Zertifikate
- Vermeide Online-Shopping, da so viel Verpackungsmüll entsteht und einige Retouren nicht mehr weiterverwendet werden können, sondern im Müll landen
- Falls Du doch etwas online bestellen möchtest, achte auf die Größenangaben und den Size Guide, um Retouren zu vermeiden oder gering zu halten.