Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, wie viele Vorgänge in Deinem Körper in jedem einzelnen Moment ablaufen? Wie viele Informationen von Nervenzelle zu Nervenzelle abgefeuert und über die Bahnen des Zentralen Nervensystems wie im Stille-Post-Spiel weitertransportiert werden? Und ist Dir schon einmal aufgefallen, dass Dein Körper diese Vorgänge sogar wenn Du schläfst, aufrechterhält? Dass er Dich weiteratmen, Dein Herz schlagen und die Eindrücke des Tages verarbeiten lässt?
Buchtipp: Körpergeflüster
von Katrin Jonas
Glücklicherweise hat es die Natur so eingerichtet, dass wir uns um die meisten dieser Vorgänge im Einzelnen nicht zu kümmern brauchen. Das Gehirn als Steuerzentrale des Organismus steuert sie autonom.
Daneben gibt es aber auch innere Prozesse, die uns bewusst werden können, und weitere, bei denen der Körper sogar unsere Mithilfe braucht. Doch um deren Signale zu erfassen, haben wir sie erst einmal wahrzunehmen.
Hier erhältst Du 7 Tipps, die Dir helfen, Deinem persönlichen “Körpergeflüster” auf die Spur zu kommen.
Während sich der Organismus im Unterbewusstsein um die essenziellen Vorgänge zur Erhaltung unseres Lebens selbstgeführt kümmert, können wir dennoch viele von ihnen empfindungsbezogen erfassen: Wir spüren die Atmung, ihre Atemtiefe und die Atemfrequenz. Wir hören den Herzschlag, seinen Rhythmus und wie er auf unser Leben reagiert. Wir nehmen das Glucksen des Darmes beim Verdauen wahr, fühlen eine Gänsehaut, wenn der Körper fröstelt, spüren beim Schwitzen die Kühle des Schweißes oder horchen auf, wenn uns etwas oder jemand berührt. Aus der Nähe betrachtet gibt es zahlreiche sensorische Vorgänge, die sich den Weg in unsere Wahrnehmung bahnen.
Darüber hinaus können wir die große Bandbreite unserer Bedürfnisse erfassen. Wir hören das Knurren des Magens, wenn wir Hunger haben, bemerken durch eine trockene Kehle, wenn wir durstig sind, und spüren, wenn unsere Energie nachlässt und wir diese auftanken müssen. Wir erfassen, wenn der Körper in Stress gerät, uns nach einer Pause, frischer Luft oder einer Auszeit zumute ist oder unsere Muskeln sich bewegen, räkeln und strecken möchten. Und genau in diesen Momenten ist unsere Kooperation gefragt. Weil der Körper nicht nur unser Lebensspender, sondern auch unser Bedürfnisanzeiger ist, liegt es in unseren Händen, seine Bedürfnisse zu stillen.
Doch genau das ist für viele Menschen gar nicht so leicht. Im Gegenteil. Für einige ist es vollkommen normal, ihre eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen, sie erst dann zu erfüllen, wenn ihr Drang nicht mehr zu überhören ist oder die anderer Menschen für wichtiger zu nehmen. Für andere beginnt die Herausforderung bereits viel früher, nämlich wenn es um das Wahrnehmen und Entschlüsseln der inneren Signale geht. Sie konzentrieren sich so sehr auf ihr Tun, dass die Botschaften der Innenwelt unbemerkt durch ihre Wahrnehmung schlüpfen.
Schauen wir uns jetzt genauer an, wie das Hineinlauschen in den Körper und das Stillen seiner Bedürfnisse am besten gelingt.
- Richte Deine Aufmerksamkeit auf Dein Inneres!
Mache Dir zunächst erst einmal bewusst, dass Dir Dein Innenleben unentwegt Botschaften sendet und bleibe mit ihm eng verbunden. Beginne, leicht zu erfassende Vorgänge und Bedürfnisse wie Hunger, Durst, Appetit, Müdigkeit, ein Verlangen nach … oder eine Lust auf … wahrzunehmen. Dies wird nicht nur Deine sensorische Hellhörigkeit erhöhen, sondern auch Deine Selbstwahrnehmung verfeinern. Wenn Du aufmerksam bist, wirst Du außerdem einen Zusammenhang entdecken: Je ausgeprägter Dein Gespür für Deinen Körper ist, desto feinere Impulse, Botschaften und Bedürfnisse kannst Du erfassen und desto größer ist die Chance, das Du diese stillst.
Mit diesem Fokuswechsel ist der bedeutendste Schritt getan. Du wirst schnell spüren, wie groß, farbig und lebendig Dein Wahrnehmungsspektrum ist.
2. Stille Deine Bedürfnisse im Hier und JETZT!
Wenn Dein Körper Bedürfnisse anmeldet, ist es wichtig, dass Du diese so aktuell wie möglich erfüllst. Ist er JETZT müde, gönne ihm JETZT ein paar Ruheminuten, ein Schläfchen oder Momente an der frischen Luft. Ist er JETZT voller Energie und möchte er sich bewegen, ermögliche ihm dies sofort, ganz gleich, wie groß oder klein, lang oder kurz die Bewegungsphase ist! Hat er JETZT Hunger, gib ihm sofort etwas zu essen. Ist er JETZT durstig, biete ihm Flüssigkeit an.
Und anders herum: Ist er nicht hungrig, brauchst du auch nichts zu essen. Fühlst Du keinen Durst, brauchst du auch nichts zu trinken. Ist er ausgepowert und müde, solltest Du ihn nicht im Fitnessstudio triezen.
Dein Körper meldet sich immer im Hier und Jetzt. Seine Bedürfnisse warten nicht bis später oder morgen. Sie sind immer brandaktuell.
3. Stelle Dir WIE-Fragen!
Wenn Du Dich noch unsicher auf dem Gebiet der Körperwahrnehmung fühlst, beginne, “Wie-Fragen” zu stellen und so zu gefühlsmäßigen Antworten zu gelangen. Frage Dich beispielsweise, WIE es Deinem Körper jetzt gerade geht, jetzt in diesem Moment. WIE nimmst Du ihn wahr, während Du aktiv bist, arbeitest, am Computer sitzt, einen Spaziergang machst, Sport treibst, in einem Gespräch bist, liebst, facebookst, twitterst, grübelst oder denkst? Und wie antwortet Dein Körper auf Dein Arbeitspensum, Deinen Tag-Nacht-Rhythmus, Deine Ernährung, Deine Sexualität? Und ja: WIE fühlt sich Dein Körper an, wenn Du ihn auf später vertröstet und ein Bedürfnis übergehst?
Sobald Dir solche Fragen geläufig geworden sind und Du Dich in der Welt Deiner Empfindungen und Wahrnehmungen so richtig wohl und sicher fühlst, wirst Du spüren, was für ein Wunderwerk Dein Körper ist. Und dieses Körperwunder ist Dein Zuhause. Ist das nicht wunderbar?
Anhand von Wie-Fragen kannst Du nicht nur die Bedürfnisse Deines Körpers erfassen, sondern auch zu inneren Wahrheiten gelangen.
4. Respektiere, was Du spürst!
Sobald Du Dich sicher fühlst, in Deinen Körper hineinzulauschen und von innen kommende Signale zu empfangen, kannst Du noch einen Schritt weitergehen: Setze alles daran, das Erlauschte zu respektieren und Deinem Empfinden zu folgen. Wenn Du fühlst, dass Dein Körper sich durch eine bestimmte Beanspruchung chronisch überlastet anfühlt, schaue Dir an, was ihn zur Überforderung treibt. Wenn Du wahrnimmst, dass sich Dein Körper in einer Situation, einer Beziehung oder einem Arbeitsverhältnis unwohl fühlt, permanent unter Druck und Anspannung steht oder sich sogar mit Schmerzen wehrt, höre ihm zu und verändere die Situation. Heißt auch: Vergewissere Dich, dass Du nicht die Botschaften Deines Körpers, die Dir Unwegsames oder Herausforderndes signalisieren, bekämpfst, sondern auf das Lösen der Situation fokussierst. Unterstütze Deinen Körper, sodass er sich im Falle eines Ungleichgewichts wieder ausbalancieren kann.
Bleibe für auch für die heiklen Momente hellwach. Nutze sie zum Ausbalancieren von Ungleichgewichten. Dein Körper dankt es Dir.
Buchtipp: Körpergeflüster
von Katrin Jonas
5. Unterscheide den Verstand von der Welt der Empfindungen!
Wenn Du zu den Menschen zählst, die Denkprozesse für wichtiger als Vorgänge des Fühlens und Empfindens halten, rufe Dir folgendes ins Bewusstsein zurück: Während der Verstand für die rationalen, analytischen Aufgaben im Alltag als passendes “Werkzeug” dient, ist die Welt der Empfindungen diejenige Ebene, auf der Du abrufen kannst, ob Du Dich wohl, sensorisch zufrieden, erfüllt und gesund fühlst. Tatsächlich ist es wichtig, diese beiden Ebenen voneinander zu unterscheiden. Andernfalls passiert es, dass der Verstand die subtilen, zarten Rückmeldungen Deiner Empfindungswelt übertönt, sich in Gefühlsfragen einmischt und unterminiert, was Dir Dein Herz oder Dein Bauchgefühl sagt.
Es ist für Dein seelisches und körperliches Gesundsein essenziell, dass Du gefühls- und lebensbezogene Themen auf der Empfindungsebene löst.
6. Gönne Deinem Verstand regelmäßige Pausen!
Gerade weil es sich beim Ablaufen mentaler Prozesse um einen jahrelang geschulten, aktiv gehaltenen Mechanismus handelt, ist es außerdem wichtig, dass Du auf ein Gleichgewicht zwischen dem Denken und dem Fühlen achtest. Heißt: Fifty – fifty. Fünfzig Prozent mentale Aktivität, fünfzig Prozent Zeit, in der sensorische und sensomotorische Leistungen zum Zuge kommen. Das bedeutet für die kopforientierten, sich im Denken zu Hause fühlenden Menschen, dem Verstand regelmäßig eine Pause zu schenken und in die Innenwelt einzutauchen.
Falls Du Dich hier angesprochen fühlst, behalte dieses Gleichgewicht im Auge. Dann gibst Du Deinen Empfindungen nicht nur mehr Raum und Tiefe, sondern wirst auch immer feinere innere Signale wahrnehmen können, die nicht durch den Filter des Verstandes gegangen sind.
Übe Dich darin, Deiner Gedankenwelt regelmäßig eine Auszeit zu geben. Meditiere! Schließe Deine Augen. Werde mit Deiner Innenwelt intim.
7. Lasse Deine Sinne sinnlich sein!
Unsere Sinne nehmen Funktionen wahr, die uns die Natur zum Erfassen verschiedenster sensorischer Qualitäten gegeben hat. Indem wir hören, riechen, schmecken, tasten, fühlen oder sehen, kommen wir mit diesen in Kontakt. Unsere Sinneseindrücke helfen uns außerdem, die Wechselwirkung zwischen der Außen- und der Innenwelt befriedigend zu regeln. Sie sind Fühler, Seismographen, Empfangsorgane, Antennen und Alarmmelder in einem.
Deshalb ist es gut, wenn Du Deine Sinne rein und sensibel hältst und sie regelmäßig “fengshuist”. Rufe Dir außerdem ins Bewusstsein, dass Dir verschiedenartige Sinnesfunktionen zur Verfügung stehen und Du ihre gesamte Bandbreite nutzt. Verlasse Dich also nicht ausschließlich darauf, was Deine Augen sehen, sondern fühle auch, was die anderen Sinne vermitteln, wie sich eine Situation, Beziehung oder Sache ANFÜHLT, ob und wie sie Dich BERÜHRT, wie sie SCHMECKT, wonach sie RIECHT oder KLINGT.
Rolle Deinen Sinnesfunktionen den roten Teppich aus! Lasse Dich sinnlich oder von Sinnen sein! Nur dann ergibt Dein Leben einen Sinn.
Die Autorin
Katrin Jonas ist eine international tätige Körper-Mind-Therapeutin, BodyWareness-Trainerin, Feldenkraislehrerin, Meditationsmentorin und Autorin mehrerer Bücher, u. a. “Körpergeflüster. Der persönlichen Lebensmelodie folgen”. Sie gibt ihren Erfahrungsschatz aus über25 Berufsjahren mit Passion weiter, leitet Seminare, Workshops und BodyWareness-Trainings für Therapeuten, Coaches und Mediziner. Live und online. Ihr Lebensmittelpunkt ist in London. www.katrin-jonas.com